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13 - Wo kein Zeuge ist

13 - Wo kein Zeuge ist

Titel: 13 - Wo kein Zeuge ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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gebracht, doch er hatte sie nicht angerührt.
    »Joel«, begann Nkata, »du hast die Frau eines Polizisten ermordet. Weißt du das? Wir haben eine Waffe in der Nähe gefunden. Es wird sich herausstellen, dass deine Fingerabdrücke darauf sind. Die ballistische Untersuchung wird ergeben, dass es die Tatwaffe ist. Eine Überwachungskamera hat dich zur fraglichen Zeit in Tatortnähe aufgenommen. Dich und einen anderen. Was hast du zu sagen, Bruder?«
    Der Blick des Jungen glitt für einen Moment zu Nkata. Er schien bei der Narbe zu verharren, die über dessen Wange lief. Wenn er nicht lächelte, sah Nkata nicht gerade aus wie ein Teddybär. Aber der Junge zog sich in sich selbst zurück - man konnte förmlich zusehen, wie er Mut aus einer anderen Dimension schöpfte - und sagte nichts.
    »Wir wollen einen Namen, Mann«, sagte Nkata.
    »Wir wissen, dass du nicht allein warst«, fügte Barbara hinzu.
    »Der andere Kerl war ein Erwachsener, oder? Wir wollen einen Namen von dir. Das ist der einzige Weg, der dir offen steht.«
    Joel sagte nichts. Er griff nach der Cola und legte die Hände darum, öffnete sie aber nicht.
    »Mann, was glaubst du eigentlich, was du hierfür kriegst?«, fragte Nkata den Jungen. »Denkst du, wir schicken Typen wie dich nach Blackpool in die Ferien? Weggesperrt werden solche wie du. Und wie du dich jetzt verhältst, wird darüber entscheiden, für wie lange.«
    Das war nicht unbedingt wahr, aber es bestand immerhin die Chance, dass der Junge das nicht wusste. Sie brauchten einen Namen, und den würden sie von ihm bekommen.
    Die Tür ging auf, und Sergeant Starr kehrte zurück. Er hielt ein dreieckiges Plastikpaket mit einem Sandwich in der Hand. Er öffnete es und reichte es dem Jungen. Joel nahm es in die Hand, biss aber nicht ab. Er wirkte unentschlossen, und Barbara sah, dass er mit einer Entscheidung rang. Sie hatte das Gefühl, dass die Alternativen, die er gegeneinander abwog, von einer Art waren, die keiner von ihnen je würde begreifen können. Als er schließlich aufschaute, wandte er sich an Fabia Bender.
    »Ich verpfeife keinen«, verkündete er und biss in sein Sandwich.
    Und das war's dann: der Ehrenkodex der Straße. Und nicht nur der Straße. Es war ein Kodex, der ihre ganze Gesellschaft durchdrang. Eltern vermittelten ihn ihren Kindern von klein auf, denn er war überlebenswichtig, ganz gleich, wohin es sie verschlug. Einem Freund schnüffelte man nicht hinterher. Aber das allein sprach Bände, denn wer immer mit dem Jungen in Belgravia gewesen war, wurde möglicherweise - zumindest von Joel - als Freund betrachtet.
    Sie verließen den Raum. Fabia Bender begleitete sie. DS Starr blieb bei dem Jungen.
    »Ich schätze, früher oder später verrät er es uns«, sagte Fabia Bender beruhigend. »Wir stehen ja noch ganz am Anfang, und er ist nie zuvor in einem Jugendgefängnis gewesen. Wenn er dorthin kommt, wird er noch mal über alles nachdenken, was passiert ist. Er ist nicht blöd.«
    Barbara ließ sich das durch den Kopf gehen, während sie zusammen auf dem Flur standen. »Aber er war schon hier wegen Brandstiftung und Raubüberfall, oder? Was ist daraus geworden? Hat das Jugendgericht ihm auf die Finger geklopft? Ist es so weit überhaupt gekommen?«
    Die Sozialarbeiterin schüttelte den Kopf. »Es wurde nie Anklage erhoben. Ich nehme an, sie hatten nicht genügend Beweise. Er wurde vernommen und dann beide Male laufen gelassen.«
    Das hieß, er war der perfekte Kandidat für die Art von sozialer Intervention, die in Elephant and Castle angeboten wurde, dachte Barbara. »Und was wurde dann aus ihm?«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Nachdem er laufen gelassen wurde. Haben Sie ihn zu irgendeiner Einrichtung geschickt?«
    »Was für eine Einrichtung?«
    »Eine, die sich bemüht, Jugendliche auf den rechten Pfad zu führen.«
    »Haben Sie je einen Ihrer Schützlinge zu einer Organisation namens Colossus geschickt?«, fragte Nkata. »Südlich der Themse ist das, Elephant and Castle.«
    Fabia Bender schüttelte den Kopf. »Ich habe natürlich davon gehört. Wir hatten deren Streetworker sogar mal hier, der uns das Programm vorgestellt hat.«
    »Aber?«
    »Aber wir haben ihnen nie einen unserer Jugendlichen geschickt.«
    »Warum nicht?«, wollte Barbara wissen.
    »Na ja, es ist ziemlich weit, wissen Sie. Wir warten darauf, dass sie in unserer Nähe eine Filiale eröffnen.«
    Lynley war seit zwei Stunden allein bei Helen. Er hatte beide Familien darum gebeten, und sie waren einverstanden

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