1300 - Die Templerin
einen anderen Weg gegangen waren als viele ihrer Mitbrüder. Sie hatten sich dem Bösen und damit der Hölle verschrieben, und ihr mörderischer Orden hatte sich über all die langen Jahrhunderte auch gehalten.
Ja, es war für mich eine Überraschung, seine verfluchte Fratze hier zu sehen, aber sie brachte mich auch auf den Pfad der Wahrheit, denn nun wusste ich, wem diese Frauen möglicherweise zugetan waren. Keinem anderen als Baphomet. Er war unter anderem das Ziel ihrer Wallfahrt, und er war durch dieses äußere Zeichen eine Verbindung mit der Templerin Konstanza eingegangen.
In diesen langen Augenblicken durchstreiften zahlreiche Gedanken meinen Kopf. Ich bekam Probleme, sie zu ordnen. Bisher war ich davon ausgegangen, dass nur Männer diesen Dämon zu ihrem Gott oder Götzen erhoben hatten. Nun allerdings sah es anders aus. Es hatte auch eine Frau gegeben, die ihm zugetan gewesen war, die Templerin Konstanza.
Das Gesicht im Gesicht schaute ich mir aus unmittelbarer Nähe an und entdeckte sehr schnell, dass es noch nicht alt sein konnte.
Die einzelnen Kratzspuren sahen frisch und hell aus, und die Natur hatte sie noch nicht überdecken können.
Und die Figur?
Sie wirkte älter, aber ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie die Zerstörung des Klosters überlebt hatte. Sie war meiner Meinung nach viel später errichtet worden.
Ich hatte nicht damit gerechnet, auf ein derartiges Phänomen zu treffen. Wenn ich weiter dachte, dann war es durchaus möglich, dass diese etwas abstrakte Figur im Innern magisch aufgeladen war, denn etwas davon hatte ich bereits gespürt, sonst hätte mein Kreuz nicht diese Wärme abgestrahlt.
Ich trat vom Rand des Unterbaus wieder zurück auf den normalen Boden und überlegte, wie ich mich verhalten sollte. Es gab einige Möglichkeiten. Ich konnte zurückgehen, um auf meinen Freund Godwin de Salier zu warten. Auch für ihn wäre es interessant gewesen, sich dies anzuschauen, denn er war ein echter Templer und zugleich ein Todfeind des Dämons Baphomet.
Aber ich war auch neugierig und war es gewohnt, eine Chance beim Schopf zu fassen.
Das wollte ich auch hier so halten. Die Figur sah zwar etwas unnormal aus und hätte auch von einem Künstler erschaffen werden können, der abstrakt dachte, doch das war nicht wichtig für mich.
Das Äußere wollte ich zunächst mal außen vorlassen, denn in dieser Gestalt musste es noch etwas geben.
Nicht grundlos hatte mich dieses andere erwischt. Worum es sich dabei handelte, fand ich nur heraus, wenn ich ein Gegenmittel einsetzte.
Es war das Kreuz!
Ein absoluter Todfeind des Teufels und all derjenigen, die der Hölle zugetan waren. Das war früher so gewesen, und das hatte sich bis in die heutige Zeit gehalten.
Es gab nur diese eine Chance, die Wahrheit zu erfahren. Auch als das Kreuz auf meiner Hand lag, war die Erwärmung zu fühlen. Sie breitete sich auf dem Handteller aus und erreichte sogar die Ansätze der Finger. Ich warf einen kurzen Blick auf das Gesicht und stellte fest, dass es sich nicht verändert hatte.
Würde sich das ändern?
Ich konnte es nur hoffen. Meine Hand zitterte ein wenig, als ich den Arm hob. In meinen Ohren brauste es. Andere Kräfte schienen plötzlich freigelegt worden zu sein. Ich ließ das Gesicht nicht aus den Augen, je mehr sich das Kreuz auch näherte. Die Form des Gebildes veränderte sich nicht, aber das Brausen in meinen Ohren verstärkte sich von Sekunde zu Sekunde.
Und dann war der Kontakt da!
Wie so oft in meinem Leben war das Kreuz die große Hoffnung für mich. Es war in der Lage, mir den Weg zu zeigen und mir dabei Welten zu öffnen, und so hoffte ich, dass es auch hier so war.
Der Stein glühte plötzlich auf. Blitzschnell schoss so etwas wie Glut in ihm hoch, aber ich bekam keine Wärme mit. Er blieb kalt.
Dafür passierte noch etwas anderes. Aus dem ebenfalls glühenden Gesicht verschwand die Fratze des Baphomet und schuf etwas anderem Platz.
Das Gesicht einer dunkelhaarigen Frau schaute mich aus großen Augen an. Ich glaubte zunächst an eine Einbildung, bis mir bewusst wurde, dass dieses Gesicht tatsächlich existierte.
Es gab sie.
Das musste Konstanza sein.
Vielleicht eine Sekunde später veränderte sich alles um mich herum. Ich stand nicht mehr auf dem festen Untergrund, denn er war mir weggezogen worden.
Trotzdem fiel ich nicht!
Man zog mich weg…
Wohin?
Die Antwort konnte ich mir kaum geben. Andere Kräfte hatten die Regie übernommen, und ich glitt tatsächlich hinein
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