1300 - Die Templerin
Konstanza bis zur Wand zurück und hob beide Hände. Einer der Soldaten drang bis zu ihr vor und drückte ihr die Eisenspitze der Lanze gegen den Magen.
Der zweite brüllte einen Alarmschrei in den Gang hinein. Der Schrei war so laut, dass er in allen Ecken und Winkeln des Klosters gehört wurde. Für Konstanza gab es keine Chance mehr. Es war vorbei. Sie hatte zu hoch gespielt, aber sie hatte es nicht von sich aus getan. Es war ein anderer gewesen.
Plötzlich tobte dessen Stimmen wieder durch ihren Kopf. »Mach dir keine Sorgen, denn die Hölle wird dich beschützen, und natürlich ich, Baphomet…«
***
Die Tat und der damit verbundene Frevel waren ungeheuerlich.
Die Mörderin wurde nicht extra angeklagt. Nachdem der Großinquisitor mit allen Weihen der Kirche versehen beigesetzt worden war, kümmerte man sich um dessen Mörderin.
Man hatte Konstanza nicht wieder in das Verlies geschafft. Sie hatte im Kloster bleiben können, eingesperrt in einem Loch, in dem sie nicht mal stehen konnte. Sie wurde gehalten wie ein Hund, und sie bekam hin und wieder auch dessen Nahrung.
Man warf ihr rohes Fleisch in das Gefängnis. Es war schmutzig, es war fettig. Sie aß es trotzdem, denn der Hunger war einfach zu groß. Man wollte sie bewusst am Leben erhalten, damit sie später die Qualen des Todes doppelt spürte.
Je länger sie in dem Verlies hauste, desto mehr wurde sie zum Tier. Jeden Wächter hätte sie angefallen, aber in Greifweite näherten sich keine Menschen.
Und doch gab es Hoffnung für sie. Ein Name wollte nie aus ihrem Kopf weichen. Baphomet. Er war schon einmal ihr Retter gewesen, und er würde es auch wieder sein.
Sie wusste nicht, wie viele Tage und Nächte vergangen waren, bis man ihr Gefängnis endlich öffnete. Bärtige wüste Gesichter erschienen und zerrten sie hervor. Gleich vier Soldaten auf einmal kümmerten sich um sie und legten sie in Ketten.
Man schleppte sie in den Betraum des Klosters. Er lag neben der Kapelle, und dorthin zog sich die Oberin zurück, wenn sie allein sein wollte.
Auch jetzt war sie da, denn sie hatte auf Konstanza gewartet. Die vier Soldaten trugen sie in den Raum. Sie selbst konnte wegen der Ketten nur mühsam laufen, und wie ein Stück Abfall wurde sie zu Boden geworfen, direkt vor die Füße der Oberin.
Dort blieb sie liegen.
Sie sah den Blick der Oberin auf sich gerichtet. Sie las die Verachtung und den Hass darin, und als die Soldaten den Raum verlassen hatten – Alfa hatte sie darum gebeten –, hielt sich die Oberin nicht mehr zurück und ließ ihrem Hass freie Bahn.
Sie umtanzte die Gefangene, schrie sie an, tobte und trat immer wieder zu. Die Tritte ließen kaum einen Körperteil der Frau aus. Sie trug noch die Kutte der Schwester, doch sie war nur noch ein verdreckter und stinkender Lumpen. Die Zeit im Kerker hatte ihre Spuren hinterlassen.
Konstanza nahm die Tritte, die Beschimpfungen und auch die Schmerzen hin. Sie hörte dem Geständnis der Oberin zu, die sich selbst anklagte, weil sie nicht rechtzeitig genug gehandelt hatte.
»Dabei habe ich es gewusst!«, flüsterte Alfa. »Verdammt noch mal, ich habe es gewusst!«
Sie befand sich in einem Zustand, als wollte sie sich selbst geißeln, um sich so für ihr Versagen zu bestrafen.
»Eine Ratte habe ich hier genährt. Eine verdammte Ratte! Wir haben dich aufgenommen. Man hat dir die Gnade gewährt und dich aus dem Kerker entlassen, und was tust du? Du bringst deinen Wohltäter um. Du erstichst ihn, obwohl er dir die Freiheit gegeben hat.«
»Die kann mir nur einer geben!«
Alfa war überrascht, die Stimme zu hören. Mit einer Antwort hätte sie nicht gerechnet. Aus der Bewegung heraus blieb sie stehen und glotzte auf die am Boden liegende Frau.
»Die Freiheit geben? Wer sollte sie dir…«
»Der große Dämon. Der Teufel. Baphomet, denn nur ihm bin ich verpflichtet. Er ist mein Schutz. Er wird mich auch weiterhin leiten, und ihr werdet es nicht schaffen, mich zu töten. Meine Seele gehört ihm allein und mein Körper auch. Nicht dem Popen. Der wollte mich, der wollte meinen Körper, aber ich habe ihn zur Hölle geschickt, denn einer wie er wird den Himmel nie erreichen. Seine Seele ist ebenso schwarz wie die eines gemeinen Mörders.«
Die Oberin war sprachlos. Im Halbdunkel des Raumes stand sie starr wie eine Statue.
Die Frau auf dem Boden grinste. Ihr Gesicht zeigte dabei einen widerlichen Ausdruck, denn so hätte auch der Teufel grinsen können. Etwas von seinem Erbe steckte in ihr.
Erst nach
Weitere Kostenlose Bücher