1302 - Die Geisterfalle
befand sich in seinem Haus, in dem er groß geworden war, und sie musste sich ihm stellen, um endgültig Abschied nehmen zu können.
Auch für sie?
Sarah Goldwyn dachte nicht an ihren Tod. Nicht so direkt. Sie verdrängte den Gedanken daran. Sie schloss die Augen, wünschte sich einen Traum herbei und wurde wieder von der Stimme ihres verstorbenen Mannes unterbrochen, die aus dem Dunkel an ihre Ohren wehte.
»Hast du mich gehört, Sarah?«
»Ja, das habe ich. Ich weiß es. Ich habe dich gehört, verdammt noch mal.«
»Dann weißt du auch, wer ich bin!«
Plötzlich konnte sie lachen. »Ich kenne deine Stimme. Aber du kannst es nicht sein. Du bist tot, Arthur. Du bist tot, verstehst du? Deshalb ist es unmöglich, dass ich…«
»Ja, ich bin tot!«, hörte sie wieder das Flüstern. »Aber nicht alles was tot ist, muss auch so bleiben. Es gibt immer wieder Unterschiede. Das solltest du dir vor Augen halten.«
»Warum, Arthur Warum bei dir? Was ist los mit dir? Warum kannst du nicht richtig sterben?«
»Ich bin gestorben.«
»Aber ich…«, sie sprach nicht mehr weiter. Jetzt war sie durcheinander. Sie wusste nicht, was sie noch glauben sollte. Erst erzählte Arthur ihr, dass er tot, aber nicht richtig tot war, und jetzt hörten sich seine Worte so an, als wäre er gar nicht Arthur.
»Was soll ich noch glauben?« Lady Sarah rief es in das Dunkel des Zimmers hinein. Sie versuchte, dort etwas zu erkennen, was ihr aber nicht möglich war. Nicht einmal eine Bewegung malte sich bei diesem grauen Hintergrund ab.
Es war schlimm für sie. Lady Sarah stand auf der Schwelle und wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte. Was war richtig, was war falsch? Wurde sie vielleicht durch irgendeine Technik zum Narren gehalten? Sie war in diesem Moment bereit, mit allem zu rechnen, und auch die Kälte war geblieben.
Es war die, die man nicht beschreiben konnte. Die sich aufbaute, wenn die Grenzen zwischen verschiedenen Reichen aufgerissen wurden. Eine trockene Kälte aus dem Reich der Toten.
»Ich bin Arthur, Sarah!«
Die Horror-Oma schrak zusammen, als sie die Stimme erneut hörte. Sie wunderte sich selbst darüber, wie flüssig es ihr gelang, eine Antwort zu geben. »Das habe ich gewusst. Ich spreche mit dir, Arthur, mit einem Toten, und ich…«
»Nicht mit dem Arthur, den du meinst, Sarah, denn ich bin nicht dein verstorbener Mann.«
Die Antwort haute sie fast um. Wieder hatte sie das Gefühl, als wäre ihr der Boden unter den Füßen weggezogen worden. Die Wand gab ihr wieder den richtigen Halt, und sie hörte sich aufstöhnen.
Aber sie war auch eine Frau, die kämpfen konnte und die sich nicht so leicht ins Bockshorn jagen ließ. Nach einem innerlichen Ruck war sie wieder in der Lage, eine Frage zu stellen. »Wenn du nicht Arthur Goldwyn bist, warum sprichst du dann in seinem Namen?«
Zunächst hörte sie das Lachen. Kurze Zeit später wehte wieder die Flüsterstimme auf sie zu. »Die Lösung ist einfach. Arthur hat einen Sohn gehabt, und der bin ich. Verstehst du? Ich heiße auch Arthur Goldwyn, aber ich bin der Sohn…«
Der Sohn!, schoss es ihr durch den Kopf. Verdammt noch mal, er ist der Sohn! Ich kann nicht mehr. Ich werde verrückt! Das ist unmöglich. Das kann nicht sein. Arthur hat mir nie etwas davon gesagt, dass er einen Sohn hat. Das glaube ich nicht…
Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, an dem ihre Schwäche einfach zu groß wurde. Sie konnte sich nicht mehr auf den Füßen halten. Ihre Beine gaben nach.
Wieder stützte sie sich an der Wand ab. Sie rutschte daran entlang und stoppte auch nicht, bevor sie den Boden erreicht hatte.
Dort blieb sie sitzen. Da machte ihr auch das Zittern nicht viel aus, denn jetzt hatte sie einen Halt bekommen.
Ein zweiter Arthur Goldwyn! Der Sohn! Nie hätte sie gedacht, dass es noch einmal so kommen würde. Es war einfach zu viel für sie. Unbegreiflich. Arthur hatte nie davon gesprochen. Er hatte sowieso wenig von seiner Familie erzählt. Deshalb war es gar nicht so unwahrscheinlich, dass Arthur einen Sohn gehabt hatte. Nur hatte er sich für den schämen müssen, man verschwieg seine Kinder immer dann, wenn dies eintrat.
Furchtbar…
Sie musste damit erst fertig werden. Mit einer müden Handbewegung strich sie über ihre Stirn. Plötzlich fühlte sie sich matt und angeschlagen. Dass sie ein derartiges Vermächtnis ihres letzten Mannes präsentiert bekommen würde, hätte sie nicht im Traum gedacht.
Und doch glaubte sie ihm, und sie stellte sich wieder die Szene
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