1302 - Die Geisterfalle
vor, die sie in den Morgenstunden erlebt hatte. Da war jemand durch ihr Zimmer gegangen, und das musste Arthur gewesen sein, auch wenn sie ihn jetzt nicht sah.
Sie schaffte es nicht, eine gewisse Logik in ihre Gedanken zu bringen. Für sie wäre es am besten gewesen, wenn man ihr Zeit gelassen hätte, alles zu überdenken, doch diese Spanne wurde ihr nicht gewährt. Die Gestalt hatte sich nicht nur gemeldet, um sie zu erschrecken, da steckte mehr dahinter. Allmählich stellte sich Sarah die Frage, ob dieser Sohn mit dem gleichen Namen tatsächlich gestorben war und sie jetzt mit seinem Geist konfrontiert wurde.
Sie spähte angespannt in die tiefgraue Dunkelheit des Zimmers, die dort festlag, als wären Tücher gespannt worden, aber noch immer zeigte sich die Person nicht.
Und doch war sie da. Die Kälte war ihr Alibi. Arthur lebte nicht mehr. Ebenso wie sein Vater. Aber es gab ihn noch. Nur anders eben, auf einer magischen Ebene.
»Hast du alles gehört, Sarah?«
»Ja, das habe ich.«
»Was sagst du?«
Die Horror-Oma stöhnte. »Ich kann es nicht glauben. Arthur hat mir nie etwas von einem Sohn erzählt, verstehst du? Niemals.«
Sie hörte wieder die Flüsterstimme. Jedes Wort schien von einer kalten Wolke getragen zu werden. »Das habe ich mir gedacht, Sarah. Es ist für meinen Vater auch ganz natürlich gewesen. Er hat sich für mich geschämt, denn ich bin nicht den Weg gegangen, den er sich vorgestellt hat. Ich nahm einen anderen, denn ich widmete mich der Magie. Der gefährlichen. Der schwarzen, wie man so schön sagt. Ich wurde zu einem Freund des Bösen. Ich und meine beiden Freunde probierten vieles aus in diesem Haus. Es wurde zu einem Festplatz der Hölle. Wir haben vieles erlebt. Es wurden hier Feste gefeiert, wie man sie sich nicht vorstellen kann. Über allem regierte der Teufel. Er hielt seine schützenden Hände über uns. Er war unser Meister. Er öffnete uns Welten, und wir haben alles getan, was ihm gefallen konnte.«
»Habt ihr getötet?«
»Ja.«
»Wen?«
»Männer, Frauen…«, die Stimme lachte und wollte weitersprechen.
Dagegen hatte Lady Sarah etwas. »Danke, es reicht. Ich will nichts mehr wissen.«
»Schade, meine Liebe. Die Menschen wussten, dass unser Haus ein besonderes ist. Sie haben einen Bogen darum gemacht, ohne zu wissen, was hier wirklich passierte. Das alles passte uns, und so lebten wir weiter in unserem Rausch.«
»Und doch seid ihr gestorben.«
»Ja!«
»Ihr habt nicht gewonnen.«
»Wir haben gewonnen, denn wir wollten das Höchste erreichen. Wir haben uns vom Teufel holen lassen. Wir wollten in sein Reich. Wir wollten einen Blick in die Hölle werfen, und das ist uns gelungen. Wir leben in der Hölle, alte Frau. Meine Freunde und ich kennen das, was die meisten Menschen sich nur ausmalen…«
Sarah begann zu zittern. Vieles schoss ihr durch den Kopf. Sie wusste nur nicht, wie sie die Gedanken ordnen sollte. Es war viel über die Hölle geschrieben und spekuliert worden. Die Menschen hatten sich ihre Bilder davon gemacht. Das Feuer, die grässlichen Gestalten darauf, die endlosen Qualen derjenigen, die in die Hölle gezogen worden waren – all das kam ihr in den Sinn. Sie stellte sich gleichzeitig die Frage, ob dieser Geist, dieses Wesen es tatsächlich so erlebt hatte, wie es sich die Menschen ausmalten.
»Dann hast du gebrannt!«, keuchte sie. »Dann ist das ewige Feuer über dich gekommen und hat dich gezeichnet…«
Das scharfe, zischende Lachen unterbrach sie. »Nein, wir haben nicht gebrannt. Die Hölle hat viele Gesichter. Sie ist auch überall. Sie kann so existieren, dass man sie fassen kann, aber sie kann auch nur in einem Menschen selbst sein, dessen Seele zu einem Teil der Hölle geworden ist. Uns gelang es einfach, eine Grenze zu überschreiten. Wir sind hineingeraten in einen Teil der Hölle, und es wurde uns gestattet, immer wieder in die Welt der Menschen zurückzukehren, wann immer es uns passte. Es gibt die Tore, nur kennen die Menschen sie kaum oder gar nicht. Uns aber sind sie bekannt.«
»Ist das Tor hier?«
»Nein und ja. Es war eine alte Mauer, die wir gebaut haben. Sie stand nie hier im Haus. Wir haben sie draußen in der Einsamkeit aufgebaut, und wir benutzten sie als Tor. Sie war unsere Zuflucht, und sie entstand nur, wenn sie gebraucht wurde. Wir haben sie für den Teufel gebaut. Sie ist unser Schutz gewesen. Sie ist das Tor, sie ist… ist … ist …«
Plötzlich ging nichts mehr.
Sarah hörte nur, wie sich ein Wort ständig
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