1302 - Schicksalspunkt Terraner-Tor
Gesicht wahren."
„Terranische Redewendungen!" drohte Gorgud erheitert. „Sie scheinen eine Art Geheimwaffe von euch zu sein, mit der ihr Andersartige in den Wahnsinn treibt."
Er erhob sich.
„Gehen wir! Ich traue Dokroed auch nicht. Wir müssen alles tun, um deine Tochter von Pailliard wegzubringen, denn vorher wird sie nicht völlig in Sicherheit sein, Perry."
Ich gab ihm innerlich recht, auch wenn ich ihm nicht ausdrücklich beipflichtete, um Eirene nicht unnötig zu beunruhigen. Dokroed und seine Kodexberater waren alles andere als Dummköpfe. Sie hatten alle überdurchschnittlich hohe Intelligenzquotienten und waren außerdem wissenschaftlich, strategisch, taktisch und politisch hervorragend geschult - und zwar für die Praxis und nicht für die Theorie. Sie waren gefährlich wie Zeitbomben.
Eirene war solange aufs höchste gefährdet, wie sie sich in ihrem Einflußbereich befand.
Ich erhob mich ebenfalls.
*
Das Rundhaus, in dem Raffaid wohnen sollte, stand in einem der ältesten Stadtbezirke Pailkads nahe dem Ufer der Bucht. Ringsum gab es Bauten, die aussahen, als stünden sie schon seit Jahrtausenden.
Das Rundhaus war ebenfalls alt, aber erst vor kurzem renoviert worden. Eine lautlos arbeitende Klimaanlage hielt die Luft in seinem Innern rein und angenehm temperiert. Die Haushalle hatte einen kostbaren Mosaikfußboden, und ihre Wände waren mit wertvollen Materialien getäfelt, die ich als Marmor und Bronze einstufte. Leise summende Pneumolifts halfen, die Etagen zu überwinden.
Raffaid konnte zumindest nicht arm sein, wenn er hier wohnte.
„Im vierten Stock", sagte Gorgud und ging mir voraus in eine Liftkabine. Ich trug wieder meine burnusähnliche Verkleidung.
Oben angekommen, führte er mich zu einer massiven Holztür, auf die ein Bronzeschild mit dem eingravierten Namen RAFFAID geklebt war. Eirene hatten wir im Hauptquartier zurückgelassen.
Er tippte auf den Sensorpunkt des Türmelders.
„Wer ist da?" erkundigte sich eine Vocoderstimme.
Also hatte Raffaid sogar eine Türpositronik.
„Jemand aus der Tiefe", antwortete ich. Es war laut meinem Informationsmaterial der Erkennungskode für die Kontaktperson der Netzgänger auf Pailliar.
Die Tür öffnete sich.
Dahinter stand Bartod.
Das war jedenfalls mein erster Gedanke, als ich den Somer erblickte. Es war auch mein zweiter Gedanke, nachdem ich ihn gründlich gemustert hatte, denn seine Statur und äußere Erscheinung stimmten mit denen von Bartod überein.
Dennoch konnte es sich nicht um Bartod handeln. Er hätte uns erkannt.
Dieser Somer jedoch hatte keine Ahnung, wer wir waren. Das sah ich eindeutig an seinen Augen, auch wenn er nichthominid war.
Gorgud schien meine Gedanken zu erraten, denn er warf mir einen warnenden Seitenblick zu, bevor er sich an den Somer wandte und erklärte: „Du hast gehört, wer dich sprechen will, Raffaid, sonst hättest du nicht geöffnet. Warum bittest du uns dann nicht herein? Hier draußen können wir nicht offen reden."
„Oh, ja!" zirpte der Somer und trat zurück. „Kommt herein, bitte!"
Wir folgten der Einladung und fanden uns in einer ausgesprochenen Luxuswohnung wieder. Knöchelhohe kostbare Teppiche bedeckten lückenlos den Boden von Flur und Wohnzimmer, schmale fluoreszierende Vorhänge verdeckten elegante Sitzgestelle, eine Wand wurde von einer Holoprojektion eingenommen, die eine sonnendurchglutete Steppenlandschaft zeigte, und hinter einer Bar wartete ein vergoldeter „Vogelroboter" darauf, aus Hunderten von Flaschen ausgesuchte geistige Getränke einzuschenken.
Raffaid deutete auf zwei Hocker und nahm auf einem Sitzgestell Platz.
„Ihr seid Gänger des Netzes?" stellte er fragend fest.
„Perry ist einer", antwortete Gorgud. „Ich bin der Führer der hiesigen Widerstandsbewegung gegen den Kriegerkult. Mein Name ist Gorgud."
„Widerstandsbewegung?" echote der Somer. „Davon höre ich zum erstenmal. Habt ihr sie heute erst gegründet?"
„Sie besteht schon lange", erklärte Gorgud barsch. „Wir haben schon viele erfolgreiche Aktionen durchgeführt. Perry sagte mir, daß du die hiesige Kontaktperson der Netzgänger bist. Stimmt das?"
Ich fühlte direkt, wie es in Raffaids Gehirnwindungen arbeitete. Er wußte nicht, ob er uns trauen sollte. Wir konnten ebenso gut Agenten der Sicherheitsorgane sein, die ihn aushorchen und dann verhaften sollten. Ich an seiner Stelle hätte mich mit solchen Gedanken beschäftigt.
Das sah Gorgud offenbar auch ein, denn er sagte:
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