1305 - Im Schloss der Zombie-Frauen
weit von der Schnauze der Dogge entfernt. Die beiden Kiefernhälften klappten aufeinander, aber sie bekamen nichts zwischen die Zähne.
Für einen Moment hatte Suko freie Bahn. Er atmete auf und spürte dann die harten Vorderpfoten wie Stangen, die gegen seine Brust drückten. Das Tier hatte sich auf die Hinterbeine gestellt. Es wollte wieder an die Kehle des Menschen.
Von zwei verschiedenen Seiten fegten Sukos eisenharte Handkanten auf den Hals der Dogge zu. Innerhalb von zwei Sekunden wurde das Tier mehrmals getroffen.
Suko wusste nicht genau, was er hörte. Ein Schreien oder Fauchen. Vielleicht ein Heulen? Zu mehr kam die Dogge nicht. Es war das letzte akustische Aufbäumen. Er wusste nicht, ob die Augen glasig geworden waren, jedenfalls brach das Tier zusammen, als hätte man ihm die Beine gekappt. Die Pfoten zuckten noch mal, dann war es vorbei.
Die Dogge blieb liegen, ohne sich zu bewegen. Ob Suko sie durch seine letzten Schläge getötet hatte, wusste er nicht. Es war ihm jetzt auch egal, denn es ging diesmal um sein Leben und auch um das seiner Freunde, die sich in diesem seltsamen Bauwerk befanden, das als Zufluchtsstätte für verfolgte Frauen diente.
Suko musste lachen, als er daran dachte. Man konnte ihm alles erzählen, nur das nicht. Hier waren die Frauen in einer anderen Hölle gelandet. Man konnte sich wirklich fragen, welche schlimmer war. Denn was Alexandra di Baggio mit ihnen anstellte, das vertrug den Begriff menschlich nicht mehr. Sie war die Voodoo-Gräfin, und aus Erfahrung wusste Suko sehr genau, wie gefährlich die Magie des Voodoo werden konnte, wenn sie in falsche Hände geriet.
Beide Hunde lagen in seiner Nähe. Von ihnen drohte keine Gefahr mehr. Zumindest vorläufig nicht. Suko konnte sich endlich um seine wahre Aufgabe kümmern.
Er wollte in dieses ungewöhnliche Schloss hinein. So wie John und das Vogelmädchen es hoffentlich bereits hinter sich hatten. Er ging davon aus, dass auch sie einen ungewöhnlichen Weg genommen hatten, ebenso ungewöhnlich wie sie gekommen waren.
Nun verdrängte er das. Er dachte mehr an die beiden Doggen und konnte sich vorstellen, dass sie auch nicht durch den Haupteingang gekommen waren, sondern ihren eigenen besaßen. Genau den wollte Suko finden.
In manchen Häusern existierten Katzenklappen. An etwas Ähnliches dachte Suko auch. Eben nur für Hunde. An einen versteckten Ein- und Ausgang, nur Insidern bekannt.
Er machte sich auf den Weg. Diesmal ließ er sich Zeit. Kleine Schritte nur, aber sehr aufmerksam. Das graue Mauerwerk, die hoch liegenden Fenster, das alles kam ihm vor wie eine Kulisse, die vom Anfang bis zum Ende geschlossen war. Es gab keine zweite Tür. Mit jedem Schritt, den er zurücklegte, schmolz seine Hoffnung weiter zusammen, die sich dann wieder erhöhte, als er den baufälligen Teil dieses Schlosses erreichte.
Es gab Lücken im Mauerwerk. Das waren die scheibenlosen Fenster, die ihn wie tote Augen anglotzten.
Niemand hatte daran gedacht, sie auch nur mit Pappe abzudichten. Durch diesen Teil des Hauses konnte der Wind fegen, denn auf der anderen Seite sah es sicherlich nicht anders aus.
Suko blieb stehen und schätzte die Höhe der Fenster ab. Plötzlich kam ihm die Umgebung noch stiller vor. Als hätte der Sensenmann ein gewaltiges Tuch über sie ausgebreitet.
Er wartete ab. Die Zeit wollte und musste er sich nehmen. Das Schauen nach rechts und links. Das Hochblicken an dem grauen Mauerwerk. Eine Gefahr war nicht zu entdecken. Er hörte auch nichts, und Suko suchte sich das Fenster aus, das von ihm am besten zu erreichen war. Wenn er sich auf die Zehenspitzen stellte und die Arme in die Höhe streckte, kam er nicht an die Fensterbank heran, die ihn mehr an einen schmalen Sims erinnerte. Da musste er schon springen.
Dass Suko durchtrainiert war, bewies er auch diesmal. Das kurze Einsacken in die Knie, dann schnellte er nach oben und hielt die Hände dabei gestreckt. Seine Fingerspitzen erreichten den Rand des Simses. Er klammerte sich daran fest, zog sich hoch und half dabei auch mit seinen Füßen nach, indem er versuchte, sich an dem rissigen Mauerwerk abzustützen.
Einige Male rutschte er noch ab, dann hatte er es so weit geschafft, dass er sich langsam in die Höhe ziehen konnte und nicht wieder nach unten glitt.
Es war anstrengend. Das Gesicht verzerrte sich, aber der Inspektor schaffte es.
Vor ihm gähnte das dunkle Loch. Aus dem Innern drang ihm ein feuchter und leicht fauliger Geruch entgegen. Wie aus einem
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