1305 - Im Schloss der Zombie-Frauen
Ruck, und sie stand vor dem Sessel!
Genau das hatte ich erwartet, und Carlotta war es sicherlich nicht anders ergangen. In unserer Umgebung war es sehr still geworden, weil auch das Vogelmädchen den Atem anhielt.
Die Gestalt ging den ersten Schritt. Auf dem glatten Boden war er überdeutlich zu hören, denn es gab keinen Teppich, der ihn gedämpft hätte. Hart hatte sie aufgetreten und ihr Ziel war ich.
Gleichzeitig streckte sie mir ihre Arme entgegen, um nach mir greifen zu können.
Genau das wollte ich nicht und flüsterte ein scharfes »Nein!«, während ich zugleich das Kreuz aus der Tasche holte. Carlotta würde als Zeugin dabei sein. Daran konnte ich nichts ändern, und ich wusste, dass ihr Nervenkostüm stark genug war.
Wieder bewegte der weibliche Zombie ein Bein. Sie streckte mir einen Fuß entgegen und wollte sich durch den zweiten Schritt nahe an mich heranbringen.
»Nein!«, flüsterte ich.
Beide Hände griffen nach mir. Sie wollten mich in Höhe der Brust packen.
Sie fassten auch etwas. Nur war es nicht mein Körper, sondern das Kreuz, das sich plötzlich zwischen den zwei Handflächen befand. Es war der Augenblick, in dem sich das Schicksal entschied.
Die Gestalt zuckte zurück. Auch die Arme fuhren wieder auseinander. Das Gesicht nahm keinen anderen Ausdruck an. Dafür zischten die getroffenen Stellen regelrecht auf, als wären sie von einem heißen Stück Eisen berührt worden.
Die Gestalt blieb vor dem Sessel stehen. Sie bewegte sich jetzt nicht. Doch ich konnte von meiner Position aus die Handflächen sehen und entdeckte auch die Brandstellen, die das Kreuz hinterlassen hatte. Innen war die Haut gezeichnet. Das Kreuz hatte sie dort regelrecht aufgerissen und tiefe Brandmale hinterlassen. Ich wusste, dass diese Gestalt keine Menschen mehr jagen würde.
Sie blieb auch nicht mehr lange auf den Beinen. Niemand hatte ihr einen Stoß gegeben. Sie fiel langsam nach hinten. Der Sessel stand für sie perfekt. Mit einer drehenden Bewegung kippte sie nach rechts, um wenig später in diesem Sitzmöbel zu landen.
Es war vorbei!
Ich ging hin und drehte die Hände so, dass ich sie mir genau anschauen konnte. Die Innenseiten waren regelrecht zerfressen. Sie hätten ebenso gut auch mit einem Schuss Säure behandelt worden sein können. Ansonsten hatte sich an ihrem Aussehen nichts verändert, doch ich wusste, dass sie sich nicht mehr erheben würde.
Jetzt bewegte sich auch Carlotta wieder. Sie ging wie eine Puppe, die durch eine Mechanik gelenkt wurde. Ihr Gesicht sah leichenblass aus. Die Lippen zitterten. Sie musste einige Male Luft holen, bevor sie eine Frage stellen konnte.
»Kann sie uns jetzt nicht mehr gefährlich werden?«
Ich lächelte Carlotta an. »So ist es. Ich habe die Frau gewissermaßen erlöst.«
»Wie Helen Pride?«
»Genau.«
Carlotta wollte etwas sagen. Sie bekam es nicht über die Lippen.
Es war ein Schock für das Mädchen, so etwas durchzumachen. Es schaute mit gesenktem Kopf nach vorn und konzentrierte sich auf die Tote. Aber Carlotta schaute sie nicht in Wirklichkeit an. Ihr Blick ging einfach hindurch, und ich stellte fest, dass ihre Mundwinkel zuckten.
Tröstend strich ich über ihr Haar, aber diese Geste konnte sie auch nicht ablenken. »Es ist alles so schrecklich«, flüsterte sie, »diese Frauen, die Hoffnung gehabt haben, hier ihre Ruhe finden zu können. Was ist aus ihnen geworden…?«
»Es gab keinen anderen Weg, Carlotta«, sagte ich leise.
»Ja, das weiß ich. Ich kann es nur nicht begreifen. Es fällt mir so verdammt schwer. Ich habe… ich … weißt du, was ich meine?«
»Das kann ich mir denken.«
»Was denn?«
»Nun ja, Carlotta. Die Frauen sind hierher gekommen, um in Sicherheit zu sein. In Wirklichkeit sind sie von einer Hölle in eine noch schlimmere gekommen.«
»Genau das ist es. Das macht mich fertig, wenn ich an die armen Geschöpfe denke. Zwei haben wir erlebt. Und beide sind zu Zombies gemacht worden. Denk mal nach. Ich… ich … gehe einfach davon aus, dass dies auch mit allen anderen passiert ist. Ich kann nicht mehr daran glauben, John, dass es hier noch normale Frauen gibt. Oder wie denkst du darüber?«
Ich enthielt mich einer Antwort. Innerlich gab ich ihr Recht. Auch ich glaubte nicht mehr daran, dass wir in diesem verdammten Schloss noch normal lebende Menschen fanden. Da schloss ich die Voodoo-Gräfin mit ein.
Aber nicht nur ihretwegen waren wir hier. Sie zu stellen, wäre natürlich fantastisch gewesen, aber wir mussten auch
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