1311 - Die Teufelszunge
Richtung der Waffe und zielte jetzt auf den Kopf dieser seltsamen Frau.
»Willst du mich töten?«, höhnte Marisa.
»Ich will, dass du verschwindest.«
»Man kann keinen Engel töten. Nicht mit einer Kugel.«
»Du bist kein Engel!«, fuhr Glenda sie an. »Du bist nie einer gewesen. Du bist ein Dämon, ein Helfer des Bösen. Sonst wärst du beim ersten großen Kampf nicht gefallen. Die, die gegen das Licht waren, wurden in die Dunkelheit gestoßen oder sind in Aibon verschollen. Genau das sollen sie auch bleiben. Aibon muss geschlossen bleiben und…«
Glenda hatte sich übernommen. Sie hatte wirklich das Letzte aus sich herausgeholt. Jetzt konnte sie nicht mehr. So blieb der Satz unausgesprochen, und jeder konnte zuschauen, wie sie plötzlich ganz langsam nach rechts kippte und es auch nicht mehr schaffte, sich zu fangen. Sie prallte auf und rutschte von der Treppe zu Boden. Die Finger hatten sich von der Beretta gelöst, die wie eine letzte, vergangene Hoffnung auf dem Podium liegen geblieben war…
***
»Das ist abartig. Das ist sogar abartig gut!«
Klaus, der Knipser, war nicht zu halten. Was er in der letzten Minute erlebt hatte, war besser als jeder Film. Das war einfach das Grauen in der Realität und verbunden mit einem Mythos, den es in verschiedenen Variationen bei fast allen Völkern der Welt gab.
Der erste große Kampf.
Gut gegen Böse!
Der Sieg des Lichts und seine Folgen. Wahnsinn. Er sah schon die Schlagzeile vor sich und hatte Bill Conolly völlig vergessen. Die ersten Meter hatte sich der Reporter noch an ihm abstützen können.
Das war nicht mehr drin. Klaus brauchte Bewegungsfreiheit. Er war derjenige Mensch, der das Unmögliche auf den Film bannen und für die Nachwelt erhalten konnte. Besser hätte er sich das Motiv nicht aussuchen können. Die kniende Frau, die eine andere mit der Waffe bedrohte.
Perfekt!
Nicht für Bill Conolly. Er war sich seiner eigenen Schwäche wieder grausam bewusst geworden, als ihm die Stütze fehlte. Ein paar Schritte war er noch weitergegangen, dann hatte er gegen die Weichheit in seinen Knien nicht mehr ankämpfen können und war langsam zu Boden gesunken. Er blieb nicht liegen. Zwar hatte er seine eigene Waffe zu Hause gelassen, aber er wollte direkt in die Nähe des Geschehens. Das gab es einfach nicht, dass er nicht eingreifen konnte. Bill wollte nicht aus dem Spiel sein und weiterhin mitmischen.
Kämpfen! Nur nicht aufgeben. Den Sieg auf seine Seite ziehen. So hatte er es immer gehalten, und so würde er es auch weiterhin halten, wenn man ihn denn ließ.
Er fasste sich wieder. Das Keuchen hörte auf. Er drehte den Kopf etwas nach links.
Klaus, der Knipser, war in seinem Element. Er schoss die Fotos aus den verschiedensten Perspektiven, und auf jedem seiner Fotos würde die Nackte zu sehen sein. Aber auch Glenda, die mit ihr sprach und es wirklich geschafft hatte, sie zum Reden zu bringen.
Nicht nur sie, sondern auch Bill erfuhr etwas über die Hintergründe dieser rätselhaften Person.
Radikal änderte sich die Szene.
Glenda brach plötzlich zusammen. Sie verlor dabei ihre Waffe, die auf dem Podium liegen blieb.
Und Bill Conolly war zu weit weg, um erfolgreich eingreifen zu können…
***
Marisa hatte gewonnen. Sie wusste es, und sie ließ es auch die anderen wissen, als sie dementsprechend lachte. Sie hatte sich schon immer auf dem Podium und angestrahlt vom Licht des Scheinwerfers als Königin gefühlt. Jetzt aber war sie noch eine Stufe höher gestiegen, denn sie beherrschte alles.
Niemand wagte es mehr, sie zu bedrohen. Jetzt war sie es, die die Befehle gab.
Ein kurzer Blick in die Runde reichte ihr. Sie sah einen Fotografen, der am Boden hockte und so viele Fotos schoss, dass seine Kamera bestimmt heiß lief.
Sollte er. Ihn würde sie sich auch noch holen. Sie würde wieder dafür sorgen, dass die Trompete erklang, dabei würde sich der Bann verstärken, der die Menschen auch jetzt noch fest hielt, aber an Kraft verlor.
Sie schaute den Solotrompeter an.
»Walter!«
Shols zuckte zusammen.
»Hörst du mich, Walter?«
»Ja.«
»Schau mich an!«
Der Musiker hob den Kopf. Sein Gesicht war schweißbedeckt.
Das Aussehen hatte sich verändert. Der seelische Zustand war in seinen Zügen eingegraben. Er sah gequält aus, als litte er unter einer Folter. Hätte er sich selbst im Spiegel gesehen, er hätte seinen eigenen Blick nicht mehr erkannt, denn so hatten seine Augen noch nie ausgesehen.
»Gut, Walter, gut! Ich sehe, dass du an
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