1313 - Der falsche Engel
gefühlvoll von unten nach oben, wie jemand, der dabei ist, die gesammelten Kräfte in die Spitze zu senden, um sie von dort auf eine lange Reise zu schicken.
Die Augen schauten ihm zu. Die Menschen wussten, dass sie etwas Besonderes erwarten konnten. Lucio würde ihnen den Weg zu den Engeln weisen. Niemand von ihnen dachte auch nur entfernt daran, dass die eigentliche Wahrheit ganz anders aussehen konnte.
Die Mitglieder des Clubs wirkten am Tisch wie eine Staffage. Jeder saß starr auf seinem Stuhl. Und so wirkten sie wesentlich größer als Lucio, dessen Gestalt in sich zusammengesunken zu sein schien. Er hockte am Ende des Tisches und wirkte in seiner Haltung klein und bucklig. Einzig und allein seine Pyramide zählte für ihn.
Seine Kräfte waren gebündelt. Das Gesicht schwebte wie ein bleicher Fleck vor und über der Pyramide. Er bewegte seine Lippen, ohne dass die anderen auch nur ein Wort verstanden. Der Brasilianer hatte Zeit genug gehabt, sich auf seinen Gegner einzustellen, und er wusste auch, dass es nicht einfach sein würde.
Er musste den Feind finden. Er würde ihn finden. Der Feind besaß etwas, dem Lucio nicht entgehen konnte. Es traf ihn. Es war eine Botschaft. Es war kein Freund. Sie würden aufeinander treffen, und er durfte ihn auf keinen Fall unterschätzen.
Langsam fielen ihm die Augen zu. Er schlief nicht ein, auch wenn es so aussah. Lucio war nur konzentriert, denn in der Pyramide würde sich das Bild zeigen. Dass er mit der Verräterin noch so große Probleme bekommen würde, hätte er nicht gedacht. Und deshalb musste sie einfach entfernt werden.
Ebenso wie ihr Schutz!
Er war in ihrer Nähe. Jetzt, wo seine Konzentration sehr groß war, nahm er es überdeutlich wahr. Die Aura des Fremden und des zu Hassenden hatte ihn längst erreicht.
Er konnte sehen und fühlen!
Nur spielte sich die Szene nicht direkt vor seinen Augen ab. Sie war entfernt, und er erkannte darin zwei Mittelpunkte. Zum einen war es eine Tote, zu der er jedoch eine Verbindung aufrecht erhielt.
Zum anderen war es deren Beschützer. Der Fremde mit einer bestimmten Waffe, die sehr gefährlich war.
Lucio wusste, dass er sie einsetzen würde. Eiskalt, um alles zu beenden. Das Medium begann zu zittern. In seinem Innern breitete sich ein regelrechter Aufruhr aus. Es gab nichts mehr, was er noch hätte tun können. Der Versuch war misslungen. Seine Kräfte waren zu schwach. Er hatte die eine erwischt, um sie von dem anderen wegzuholen. Jetzt war ihm klar, dass er dies nicht schaffte.
Sein Mund öffnete sich.
Kein Schrei entstand, obwohl er gern geschrien hätte. In der Pyramide passierte etwas. Sie erhellte sich von innen. Nur war es ein normales Licht. Etwas kreiselte dort und zirkulierte. Unter seinen Händen erzitterte das Metall. Die Vibrationen waren alles andere als gut für ihn. Lucio war auch in einer solchen Realität. Er wusste genau, dass sie dem Angriff der anderen Seite kaum standhalten konnte. Noch gab es sie, und sie zeigte ihm ein für ihn schreckliches Bild. Eine Szene, die aus einem Albtraum stammte, die ihm seine Grenzen aufwies.
Und dann, dann…
Lucio löste seine Hände von der Pyramide. Die Arme fuhren hoch, und er schrie gellend auf, als aus dem Gegenstand vor ihm eine wilde Flamme in die Höhe schoss.
***
Das Unglaubliche trat ein. Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich kannte mein Kreuz. Ich hatte erlebt, dass es die dämonischen Feinde zerstörte. Ich war über alles sehr genau informiert, aber ich erlebte wieder etwas Neues, was eine Zerstörung anging.
Der Körper der Toten veränderte sich auf eine Art und Weise, die mich völlig überraschte. Es war kaum zu fassen, obwohl ich mit eigenen Augen zuschaute. Die Festigkeit verschwand, das kannte ich, wenn ich einen Vampir vernichtete, der alt genug war.
Aber hier lief es anders ab. Harriet Peel verwandelte sich nicht in Staub, und trotzdem wurde sie zu Staub. Es fing bei ihrem Gesicht an. Zum einen leuchtete es für einen Moment auf. Sie schien als Leiche in das ewige Licht hineingeglitten zu sein. Doch das stimmte nicht. Sie blieb in der Luft schweben, und ihr Kopf mit dem Gesicht war plötzlich zu einem silbrig schimmernden Etwas geworden, das sich aus unzähligen und winzigen Partikeln zusammensetzte.
Hell. Auch silbrig und funkelnd. Kein normaler Staub. Nein, hier sah ich einen besonderen vor mir.
Engelsstaub!
Das Kreuz lag auf dem Körper der schwebenden Toten. Ich hatte es zwar von meiner Hand gelöst, hielt aber die Kette noch
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