1314 - Im Bann der schönen Nymphe
wirklich nicht, plötzlich aus dem normalen Leben herausgerissen zu werden. Weiterhin schaute sie uns verunsichert an und wunderte sich über meine nächste Frage.
»Hätten Sie etwas dagegen, wenn wir uns den Teich mal aus der Nähe ansehen?«
Erst schwieg sie. Dann musste sie schlucken. »Nein, das nicht. Aber da gibt es nichts zu sehen, und diese seltsamen Gestalten habe ich auch nicht mehr entdeckt.«
»Trotzdem möchten wir uns dort mal umschauen.«
»Wie Sie wollen.« Sie drehte den Kopf zur Seite. Ihre Wangen bekamen eine bestimmte Röte. Ihr schien etwas eingefallen zu sein, doch sie redete nicht darüber. Wir wollten auch nicht weiter in sie dringen und hielten den Mund.
In der Tat dachte Amelie an Jenny Mason. Auch sie hatte etwas mit dem Teich zu tun gehabt. Über lange Zeit hinweg war über ihn nicht mal geredet worden. Nun aber trat er gleich zwei Mal an einem Tag in den Blickpunkt. Das kam ihr schon suspekt vor. Sie fragte sich, ob sie den beiden Besuchern trauen konnte.
Ich merkte etwas von ihrem inneren Kampf und lächelte sie beruhigend an. »Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen, Amelie. Was wir hier unternehmen, geht schon in Ordnung. Wir sind auch echte Polizisten und laufen nicht mit gefälschten Ausweisen herum.«
Ihr Gesicht rötete sich noch mehr, und sie schien sich irgendwie ertappt zu fühlen.
»Muss ich denn mit?«, fragte sie.
»Nicht unbedingt. Aber es wäre schon besser, denn Sie kennen sich hier aus.«
»Ja, das stimmt. Gut, dann gehe ich.«
»Und was ist mit Jenny, Ihrem Schützling?«, erinnerte Suko sie.
Sie winkte ab. »Ach, die schläft.«
»Zu dieser Zeit?«
Das Kindermädchen zuckte mit den Schultern. »Ja, Jenny war ziemlich müde. Richtig kaputt, wie sie sagte. Da habe ich sie ins Bett geschickt.«
Das klang zwar plausibel, doch tief in meinem Innern glaubte ich nicht so recht daran.
»Es wird bestimmt nicht lange dauern«, machte ich Amelie Weber Mut. »Wir möchten uns nur den Teich näher anschauen, das ist alles.«
»Und warum?«
Ich hatte mich schon vorher auf diese Frage eingestellt und hielt auch die passende Antwort parat. »Man hat uns einen Tipp gegeben, dass in diesem Teich etwas versteckt ist.«
Sie trat einen Schritt zurück. »Wirklich?«
Sie schwieg. Aber sie steckte voller Gedanken, das war ihr ebenfalls anzusehen. Ich hätte sie gern danach gefragt, doch das verkniff ich mir, denn ich wollte sie nicht noch mehr verunsichern.
Suko kam wieder zur Sache. »Existiert eine Hintertür?«
»Klar.«
»Dann nehmen wir sie doch.«
»Gut.« Auf Jenny Mason kam Amelie nicht mehr zu sprechen.
Auch wir fragten sie nicht danach, aber wir waren gespannt, was uns im Garten und im Wald erwartete…
***
Das Zimmer, das Fenster, das Bett!
Jennys Leben war auf diese kleine Welt zusammengeschrumpft.
Das machte ihr nichts aus. Sie freute sich, in diesem geräumigen Zimmer leben zu können. Es war nach ihrem Geschmack eingerichtet worden und längst nicht so düster wie das übrige Haus.
Helle Tapeten mit einem freundlichen Muster. Auf die grünen und blauen Punkte hatte sie bestanden. Auch auf die Regale, damit sie Platz für ihre Bücher hatte. Da die Regale im rechten Winkel zueinander standen, war so ein Raum innerhalb des Zimmers geschaffen worden, und den hatte sich Jenny auch eingerichtet. So gehörte eine Kuschelecke dazu, die aus weichen Sitzkissen bestand. Dort hinein legte sie sich, um im Schein zweier kleinen Deckenleuchten mit bunten Schmetterlingsschirmen lesen zu können. Es war noch Platz genug für einen Schreibtisch. Einen Fernseher hatte man ihr auch hingestellt, doch der war in die Ecke geschoben worden, denn sie brauchte ihn nur selten.
Manche Kinder in ihrem Alter besaßen schon einen Computer.
Jenny gehörte nicht dazu, obwohl ihr Vater ihr öfter angeboten hatte, ihr ein solches Gerät hinzustellen. Das brauchte sie einfach nicht. Später ja, aber das Lesen würde sie nicht aufgeben.
Wenn sie im Bett lag, fiel der Blick auf das Regal, in dem die bunten Rücken der Bücher dicht an dicht standen. Es war immer wieder toll für sie, dorthin schauen zu können. Die meisten hatte sie durchgelesen, aber es gab einige Geschichten, die sie sich noch vornehmen musste, und darauf freute sie sich.
Wenn sie überhaupt richtige Freunde besaß, dann waren es die Bücher. Davon würde sie auch niemals lassen.
Jetzt lag Jenny in ihrem Bett. Schlafen konnte sie nicht. Es ging ihr einfach zu viel durch den Kopf. Das Erlebte wollte nicht
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