1316 - Vampirhölle
rücklings zu Boden.
Alles um mich herum war plötzlich frei. Keiner der Gäste wollte etwas mit dieser Szene zu tun haben. Das war kein Spiel mehr und auch kein Spaß. Nur noch der Nebel trieb in dünnen Schwaden durch die Disco, und aus diesem grauen Gebräu tauchte eine Gestalt auf, die ich gut kannte.
Vom Boden her winkte ich Suko zu. »Du kommst spät, aber du kommst.«
»Sorry, ich hatte noch zu tun.«
»Was denn?«
»Sage ich dir später.«
Er ließ mich liegen und kümmerte sich um den Sir, der regungslos und mit halb zerschmettertem Gesicht auf dem Boden lag und sich nie mehr erheben würde.
Ganz im Gegensatz zu mir.
Ich stand mit recht schwerfälligen Bewegungen auf. Dabei hielt ich den linken Arm ausgestreckt, den ich als Stütze benutzte. Die beiden Treffer waren nicht einfach zu verdauen. Das merkte ich, als ich in die Senkrechte geriet und mich an der Wand abstützen musste. Dort blieb ich stehen und holte zunächst tief Luft.
Mein Hinterkopf hatte beim Aufprall zum Glück nur wenig abbekommen, und der Schwindel ließ auch nach. Eigentlich war nur das leicht angeschwollene Kinn als Erbe zurückgeblieben.
Es traute sich noch immer keiner der jungen Gäste in meine Nähe. Dafür kam Suko. Er deutete auf die Leiche und sagte: »Er war es wohl auch auf der Treppe.«
»Ja, und hast du auch gehört, was er zu mir kurz vor seinem Angriff voller Stolz gesagt hat?«
»Nein, ich war zu weit weg.«
»Ich weiß jetzt, wem er seinen Zustand verdankt. Im Hintergrund hat sie wieder mitgemischt.«
»Sie? Justine?«
»Leider.«
Suko verdrehte die Augen. »Wir hätten es uns denken können«, flüsterte er. »Leider können wir ihn nicht mehr fragen, wo sie ist.«
Ich winkte ab. »Lass mal. Ich habe keine Lust, in meinem leicht lädierten Zustand auf Justine zu treffen.«
Suko grinste und meinte: »Du hast ja mich.«
»Ja, ja«, erwiderte ich so überzogen überzeugt, dass es sich schon wie eine Lüge anhörte. »Das habe ich erlebt, als mir der Sir an die Gurgel wollte.«
»Sorry, Alter. Es ging eben alles so schnell. Außerdem war mir die Sicht versperrt.«
»Und was hast du wirklich getan?«
»Telefoniert.«
»Toll! Mit Shao, um ihr eine gute Nacht zu wünschen?«
»Nein, mit dem Yard.«
Ich hörte zu, was Suko recherchiert hatte. Und das sah wirklich gut aus. Er hatte sich mit den entsprechenden Stellen in Verbindung gesetzt und erfahren, wo sich die Kläranlage befand.
»Bist du dir denn sicher, dass es die richtige ist?«
»Ja. Fast. Südlich von Wimbledon. Dort gibt es die großen Reservoire. Da müssen wir hin.«
»Du hast noch in der Mehrzahl gesprochen.«
»Aber es gibt nur eine, in dessen Nähe sich diese Kapelle befindet. Man hat auf den entsprechenden Karten nachgeschaut. Sie muss vor langer Zeit mal als Kapelle benutzt worden sein. Was zur Zeit damit passiert, weiß niemand.«
»Abgesehen von den Prinzen.«
»Sicher. Und wenn wir unsere Freundin Vanessa finden wollen, gibt es nur diese eine Chance.«
Das sah ich ein. Ich war zwar nicht in Form, aber wenn es um Vampire ging, konnte ich mich nicht hängen lassen.
»Worauf warten wir dann noch?«
»Nicht auf die Kollegen von der Mordkommission und der Spurensicherung. Denen habe ich auch Bescheid gegeben, und sie müssen jeden Moment eintreffen.«
Ich gab keinen Kommentar mehr ab, denn jetzt hieß es handeln…
***
Die Flucht! Das Rennen in den nahen Wald. Der Versuch, ein Versteck zu finden oder so weit wegzulaufen, bis ein bewohntes Gebiet erreicht war. Das alles trieb Vanessa Drake an.
Sie musste alles geben, wenn sie es schaffen wollte. Bis weit über ihre Kräfte gehen. Sonst hatte sie keine Chance. Die Prinzen waren stärker und agiler als sie.
Jetzt freute sie sich über die Dunkelheit. Ein Sichtschutz. Nicht aber ein Schutz gegen die Akustik. Lautlos kam sie nicht weiter. Sie würde immer zu hören sein. In der Nacht noch besser als am Tag.
Licht besaß sie nicht. Keine Taschenlampe, kein Scheinwerfer, auch kein Feuer. Wie ein Tier, das einen Feind im Nacken spürt, warf sich die Musikerin in die Finsternis hinein, die gefüllt war mit Gestrüpp, Bäumen, hohem Gras und dem Laub des vergangenen Jahres, das auf dem Boden einen Teppich gebildet hatte.
Es gab keine Wege. Nicht mal Pfade. Im Hellen wäre sie besser vorangekommen, so aber hatte sie die Arme vorgestreckt, um so irgendwelche Hindernisse aus dem Weg zu räumen.
Nur die Richtung hatte sich Vanessa gemerkt. Sie war in den Wald gelaufen. Auf dem Weg, den
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