132 - Die Seelenfänger
bisher geahnt hatten. Ein Geheimnis umgab ihn… „Wo hast du Fernando zum letztenmal gesehen?" fragte Coco sanft.
„In der Scheune seines Vaters… in der Nähe des Strandes", antwortete Maria mit erstickter Stimme. Ihr Gesicht war tränenbenetzt. Coco befahl dem Fahrer anzuhalten und erlaubte Maria, aus dem Wagen auszusteigen. Plötzlich warf sich Maria auf sie und klammerte sich wie eine Ertrinkende an sie.
„Danke, Senorita, danke", brach es aus ihr hervor. „Ich fühle, daß Sie mir glauben. Können Sie mir helfen? Werde ich Fernando wiedersehen?"
„Vielleicht", sagte Coco fast gegen ihren Willen. Sie wollte keine Versprechungen machen, weil sie sich nicht vorstellen konnte, wie sie sie einhalten sollte. Aber als sie das gebrochene Mädchen vor sich sah, da ließ sie sich doch zu einem Zugeständnis hinreißen. „Ich werde alles tun, um dir deinen Fernandez wiederzugeben."
Maria bedankte sich noch einmal und wollte aussteigen. Aber als sie die Tür öffnete, zuckte sie mit einem spitzen Schrei zurück und wollte die Tür schließen. Aber sie klemmte.
„Ratten!" schrie Maria. „So viele Ratten, wie ich noch nie in meinem Leben gesehen habe!" „Fahren Sie los!" befahl Coco dem Fahrer.
Und da ging es auch schon los.
Zuerst war zu hören, wie die Körper der rasend gewordenen Tiere gegen die Karosserie des Wagens prallten. Gleich darauf tauchten sie auf der Kühlerhaube auf und
sprangen
gegen die Windschutzscheibe. Drei Tiere kamen durch, das geöffnete Seitenfenster gesprungen und verbissen sich in den Fahrer.
Maria schrie. Der Fahrer konnte sich einer Ratte entledigen. Coco griff im rascheren Zeitablauf nach vorne und befreite ihn von den anderen beiden Tieren.
„Schließen Sie sofort das Fenster!" schrie Coco, als sie sich wieder im normalen Zeitablauf befand. Aber dieser Aufforderung bedurfte es gar nicht erst, der Fahrer kurbelte wie wild das Fenster hoch. Er bekreuzigte sich und hielt das Lenkrad dabei nur mit einer Hand fest. Gleichzeitig gab er Gas, um die Ratten, die den Wagen erklettert hatten, abzuschütteln. Es mußten hundert oder mehr sein, die sich an der Karosserie festkrallten.
Als Coco nach hinten blickte, war das Rückfenster vor lauter Rattenkörpern schwarz. Erst als das Taxi noch schneller wurde, fielen sie vereinzelt ab.
Der Taxifahrer gab noch mehr Gas. Dadurch wurden die Ratten von der Motorhaube gegen die Windschutzscheibe gedrückt. Das Kratzen ihrer Krallen und das Trommeln ihrer Pfoten auf dem Glas gingen durch Mark und Bein.
„Ich kann nichts sehen!" rief der Fahrer. „Ich sehe vor lauter Ratten die Straße nicht mehr."
Plötzlich barst die Windschutzscheibe unter dem Druck der Ratten. Es regnete Splitter und Rattenkörper in das Innere des Wagens.
Der Fahrer wurde darunter förmlich begraben.
„Springen Sie hinaus!" befahl Coco, als der Wagen stand.
Es hätte keinen Sinn gehabt, den Fahrer und Maria mit in den rascheren Zeitablauf zu nehmen, weil sie vermutlich auch einige Ratten miteinbezogen hätte.
Der Wagen rollte kurz an, dann starb der Motor endgültig ab. Sie wurden nach vorne geschleudert. Der Fahrer ließ sich seitlich aus der Tür fallen. Er bildete zusammen mit Dutzenden von Rattenkörpern ein unentwirrbares Knäuel.
Coco sprang ins Freie, eilte um den Wagen und befreite den Taxifahrer im Zeitraffertempo von den blutrünstigen Nagern. Maria rührte sich im Fond nicht. Sie war ohnmächtig geworden.
Der Fahrer wies unzählige Bißwunden auf, aber er war nicht ernstlich verletzt. Fast schien es Coco, daß die Ratten nicht in mörderischer Absicht zugebissen hatten.
Nachdem sie den Mann von den Ratten befreit hatte, entdeckte sie etwas seitlich des Wagens in fünfzig Meter Entfernung eine Gestalt. Es war ein Mensch, aber er hatte etwas Rattenhaftes an sich. Coco fühlte sich bereits zu schwach, um ihn im rascheren Zeitablauf zu stellen.
„Das war nur eine Warnung!" rief der Rattenhafte mit schriller Stimme. „Das nächstemal läßt euch Trigemus killen."
Das Stöhnen des Taxifahrers lenkte Coco für einen Moment ab. Als sie wieder zu der Stelle hinblickte, war der Rattenhafte verschwunden.
Der Taxifahrer kam auf die Beine. Er stand noch unter Schock. Coco drückte ihn auf den Beifahrersitz und übernahm selbst das Steuer.
Der Wagen sah aus, als sei er in eine Massenkarambolage verwickelt worden. Aber Coco schaffte es, ihn bis zum Hafen von Vigo zu steuern und ihn an einem Taxistandplatz abzustellen.
Dann stieg sie aus und überließ Maria
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