132 - Die Seelenfänger
irgend etwas angestellt?
Ich wußte doch, du würdest mich ausschimpfen, wenn ich es verrate.
Nein, Martin. Ich schimpfe nicht mit dir, ich möchte nur wissen, was du getan hast. Das blinkende Licht fasziniert dich also…
Ja, es fasziniert mich. Es fasziniert mich so sehr, daß ich letzte Nacht aus dem Fenster geklettert und in seine Richtung gelaufen bin. Ich wollte ihm näher sein.
Und, was passierte?
Das Licht blinkt hoch oben am Himmel. Aber nicht von so hoch wie die Sterne. Es ist auch kein Stern. Es befindet sich an der Spitze eines Turmes… gar nicht weit von meinem Fenster entfernt. Ich kann es schnell erreichen. Vielleicht werde ich in dieser Nacht wieder hingehen.
Nein, Martin. Bleibe diesem Licht fern! Vergiß es!
Warum nur, Ma? Ich mag es sehr. Es fasziniert mich…
Aber es kann nichts Gutes bedeuten.
Warum nur verbietest du mir alles, was mir Freude macht? Ich habe nichts anderes als dieses Licht. Warum holst du mich denn nicht endlich?
Ich werde bestimmt bald kommen. Aber versprich mir, daß du dem Licht nicht mehr nahekommst. Weißt du, was ein Leuchtturm ist?
Nein. Stammt das Licht von so einem Leuchtturm? Ist das ein Leuchtturm?
Deiner Beschreibung nach, ja. Ein Leuchtturm ist dazu da, den Schiffen auf dem Meer den Weg zu signalisieren. Das Blinklicht warnt und leitet die vorüberfahrenden Schiffe.
Toll!
Dieser Leuchtturm sendet jedoch Signale des Bösen aus. Du darfst dich nicht davon täuschen lassen. Bleibe diesem Licht fern. Wenn du mir nicht glaubst, dann vertraue dich Mutter Arosa an.
Ich weiß jetzt schon, daß sie mir dasselbe Verbot wie du auferlegen wird. Mutter Arosa ist alt und viel zu sehr besorgt.
Wenn das so ist, dann sage ihr alles, was du von mir gehört hast. Bitte, Martin, tu nichts, was ich dir nicht erlaube.
Na schön, Ma, wenn du es sagst. Aber verstehen tu ich es nicht.
Das macht nichts, mein Junge. Ich werde dir später alles erklären. Ignoriere den Leuchtturm! Du mußt dich den Lockungen seines Blinklichtes verschließen.
Ja, weiß ich schon, Ma… Jetzt bin ich aber müde.
Schlaf gut, mein Sohn.
Du auch, Mutter.
Noch eine Frage, Martin.
Was denn noch?
Sind dort, wo du dich befindest, Fremde aufgetaucht? Ich meine Männer - oder Frauen -, die noch nicht da waren, als du in diesem Heim von Mutter Arosa ankamst.
Mir sind alle fremd, ich kenne hier ja keine Leute.
Ich denke dabei an eine Gruppe von acht Personen. Es müssen insgesamt acht sein. Sind Fremde, einzeln oder als geschlossene Gruppe, in so großer Zahl bei euch aufgetaucht?
Nein, nicht daß ich wüßte… Also acht Fremde würden mir sofort auffallen. Wir sind zumeist Kinder unter uns. Erwachsene kommen so gut wie nie. Nur wenn sie Brot und Lebensmittel liefern. Hat deine Frage auch mit dem Leuchtturm zu tun?
Vergiß den Leuchtturm. Martin. Schlaf jetzt und träume süß von mir und…
Coco dachte den Gedanken nicht zu Ende. Beinahe wäre ihr Dorians Name herausgerutscht. Aber noch im letzten Augenblick fiel ihr ein, daß die Erwähnung von Martins Vater nur schreckliche Erinnerungen in ihm geweckt hätte.
Es mußte furchtbar gewesen sein, als Martin sich vertrauensvoll Dorian zugewandt hatte, sich das Gesicht seines Vaters aber plötzlich in eine rot und blau glühende Fratze verwandelt hatte. So geschehen vor wenigen Tagen im Spessart, bei dem Sabbat, den Baphomet inszeniert hatte, um sich in den Besitz von Martins Körper zu bringen.
„Ich glaube, ich weiß jetzt, wo sich Martin befindet", sagte Coco zu Dorian, nachdem der Gedankenkontakt mit ihrem Sohn beendet war. „Er hat mir einen Leuchtturm als wichtigen Anhaltspunkt genannt.. "
„Und du meinst, es handelt sich um den Leuchtturm von Kap Finisterre?" mutmaßte Dorian.
„Was sonst!" erwiderte Coco. „Es paßt alles zusammen, und allmählich beginnt sich das Bild abzurunden. Es wird Zeit, daß wir uns Loyola vornehmen und das Geheimnis des Geisterschiffes lösen."
Die vier Deutschen hatten sich entschlossen, morgen abzureisen und hatten sich auf ihre Zimmer zurückgezogen, um ihre Sachen zu packen. Dorian hatte diesem Wunsch, der Bucht von Vigo den Rücken zu kehren, mit Hypnose nachgeholfen.
Ramon Loyola zeigte sich darüber sehr erstaunt, und es schien, daß er auch verärgert war. Als Dorian ihn in die Weinstube rief und bat, ihnen über das Geisterschiff und den Fluch etwas zu erzählen, stimmte er sofort zu.
„Ich will Ihnen gerne alles sagen, was ich weiß", sagte er. Er setzte sich zu ihnen an den Tisch, aber
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