1322 - Das Grauen von St. Severin
Anruf hatte Silke von Weser zwar nicht aus der Fassung gebracht, aber sehr nachdenklich werden lassen. Sie war auch davon überzeugt, dass der Mann mit verstellter Stimme gesprochen hatte.
Seine Botschaft allerdings war klar und verständlich gewesen.
»Kommen Sie bei Anbruch der Dunkelheit zum Mönch an der Kirche von St. Severin.«
Mehr war nicht gesagt worden. Sie hatte auch nicht nachfragen können. Der Anrufer hatte nach dieser befehlsähnlichen Botschaft kurzerhand aufgelegt.
Er hatte eine sehr nachdenkliche Frau hinterlassen, die sich erst mal hingesetzt und einen Schluck getrunken hatte. Natürlich wusste sie als Keitumer Bewohnerin und Heimatforscherin, was dort oben an der Kirche geschehen war. Dass eine Figur zurückgekehrt war, die es eigentlich nicht geben durfte. So etwas sprach sich herum. Sie hatte auch versucht, einen Grund dafür herauszufinden.
Trotz allen Nachdenkens war es ihr nicht gelungen.
Nun der Anruf!
Die Stimme hatte sie nicht erkannt. Es steckte ein Mensch dahinter und kein Geist, obwohl Silke von Weser nach den letzten Vorgängen nichts mehr ausschloss.
Sie war eine Frau, die sich bisher im Leben immer ihren Weg gebahnt hatte und auch jetzt nicht von dieser Linie abwich. Herumzusitzen und nichts zu tun, das war nicht ihr Bier. Deshalb entschloss sie sich sehr schnell, etwas zu unternehmen.
Ihr Ziel stand fest. St. Severin würde sie besuchen. Zuvor wollte sie mit jemandem reden, der ebenfalls Bescheid wusste. Claas Claasen, der Besitzer vom Deich-Hotel. Er war damals ebenfalls in diesen Fall verwickelt worden. Sie hatten über das erneute Auftauchen des Mönchs gesprochen, aber den Grund nicht herausfinden können, weshalb das überhaupt passiert war.
Schließlich hatten es beide irgendwie als Schicksal angesehen und nicht mehr darüber diskutiert.
Jetzt dieser Anruf.
Silke von Weser war alles andere als ein ängstlicher Mensch!
Nach dieser Nachricht spürte sie schon ein gewisses Unbehagen in sich hochsteigen und als sie ihre Jacke vom Haken nahm, lag ein leichter Schauer auf ihren nackten Armen.
Es war zwar nicht weit bis zum Deich-Hotel und sie hätte auch locker zu Fuß gehen können, doch sie wollte beweglich sein und stieg deshalb in ihren kleinen Polo.
Ihr Mann war unterwegs, und deshalb brauchte sie sich auch von keinem zu verabschieden. Draußen empfing sie der anbrechende Abend. Zwar hatte die Dunkelheit den Kampf noch nicht gewonnen, aber der Himmel zeigte bereits die typische Färbung mit dem glühenden Rot, im Westen einer allmählich ins Meer versinkenden Sonne.
In ein paar Minuten hatte sie das Gelände des Deich-Hotels erreicht. Sie nahm den Weg zwischen den beiden Wiesen entlang der hell gestrichenen Zäune und fuhr auf den Parkplatz. Nach dem Aussteigen ging sie schnell die wenigen Schritte zum Hoteleingang, grüßte einige Gäste, die in die Bar gingen und schloss sich ihnen an.
Die Vertretung des Chefs hatte Herr Borg übernommen, dessen Mund sich zu einem Lächeln verzog, als er Silke von Weser sah.
»Was führt Sie denn in diese Lasterhöhle?«
»Nicht das Laster.«
Herr Borg stellte ein Glas zur Seite, das er poliert hatte. »Dann also die Lust. Der Durst…«
»Keines von beiden. Ich suche Claas.«
»Oh, das tut mir Leid. Der ist nicht da.«
»Nicht im Haus?«
»Nein.«
»Hm. Wo ist er dann?«
»Gegangen.«
»Toll. Und wann kommt er wieder?«
Herr Borg hob die Schultern. »Das kann ich Ihnen leider nicht sagen.«
»Tja, das ist schlecht.«
»Kann ich Ihnen denn helfen?«
»Nein, nein, schon gut. Die Sache regele ich selbst. Schönen Abend noch, Herr Borg.«
»Ja, Ihnen ebenfalls, Frau von Weser.«
Leicht frustriert verließ Silke das Hotel. Vor der Tür blieb sie stehen. Ihre Augenbrauen zogen sich zusammen. Ein Zeichen dafür, dass sie angestrengt nachdachte.
Wie ging es jetzt weiter?
Natürlich wollte sie nicht auf Claas Claasen warten, sondern allein zur Kirche hochfahren. Ein gutes Gefühl hatte sie nicht, doch das andere Gefühl sagte ihr, dass sie dort den Hotelier möglicherweise traf. Hier lief ein Spiel ab, dessen Regeln ihr unbekannt waren, obwohl sie selbst darin mitmischte. Es würde und es musste sich alles ergeben, und es würde auch zu einem Finale kommen.
Das war damals auch so gewesen, als ein gewisser John Sinclair dafür gesorgt hatte, dass der Mönch vernichtet wurde. Es lag jetzt einige Zeit zurück, doch Silke meinte, dass es erst gestern gewesen wäre. Mit diesen Gedanken schritt sie auf den abgestellten
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