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1322 - Das Grauen von St. Severin

1322 - Das Grauen von St. Severin

Titel: 1322 - Das Grauen von St. Severin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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gefürchtet hatte.
    Es war nur der Wind, den er spürte und auch manchmal zu hören schien, wenn er um seine Ohren wehte. Nichts anderes als der Wind, der die Blätter der Büsche und Bäume bewegte, für das geheimnisvolle Rascheln sorgte, das sich für ihn anhörte wie das Flüstern derjenigen Bewohner, die auf dem nahen Friedhof längst ihre letzten Ruhestätten gefunden hatten. Sie meldeten sich mit geheimnisvollen Stimmen. Tote, die plötzlich durch eine unheimliche Kraft in ihren kalten Gräbern erwacht waren und ihre Not hinausschrien, wobei ihre Stimmen auf dem Weg nach oben an Kraft verloren und sie zu einem hektischen Flüstern zwangen.
    Oder lag es an der geheimnisvollen Figur, die in der Nähe ihren Platz gefunden hatte?
    Er konnte keine Antwort geben. Er wollte es auch nicht. Claas spürte nur, wie es ihn angriff und ihn fast verrückt machte. Er schüttelte sich, als er stehenblieb und seine Hände gegen die Stirn presste. Einige Male holte er tief Luft. Dabei drang ein Stöhnen aus seinem Mund. Die Hände bedeckten sein gesamtes Gesicht. Er beugte sich nach vorn und schüttelte mehrere Male den Kopf.
    In seinem Kopf bewegten sich die Stimmen weiter. Hin und wieder hörte er ein schrilles Lachen. Als hätte sich für ihn das Tor zu einer geisterhaften Welt geöffnet.
    Claas Claasen war froh, eine Bank in der Nähe zu wissen. Er taumelte darauf zu und ließ sich auf das Holz fallen. Er brauchte Ruhe für den letzten Teil seines Wegs. Als er es schaffte, die Hände sinken zu lassen, da glaubte er, zahlreiche Schattenwesen zu sehen, die sich über den dunklen Boden hinwegbewegten. Geheimnisvolle Gestalten, die das Reich der Geister verlassen hatten, um auf dem Friedhof vor der Kirche ihre Tänze durchzuführen.
    Das war es nicht. Das konnte es nicht sein. Ich bin es selbst nicht, dachte er. Ich erkenne mich nicht wieder.
    Die Gedanken peinigten ihn. Er wollte, dass sie ihn befreiten, doch das taten sie nicht. Er selbst konnte sich nicht befreien und fand auch nicht die Kraft, den Friedhof zu verlassen und einfach nach Keitum zu rennen.
    Auf dem Friedhof und nahe der Kirche war es still. Die Autos, die an der Straße entlangfuhren, um nach Braderup oder Kampen zu gelangen, nahm er kaum wahr. Sie waren wie ferne Flugobjekte, die sich irgendwo im All herumtrieben.
    Claas stand auf.
    Es ging besser, als er gedacht hatte. Plötzlich stand er auf den Beinen, schaute sich um und atmete die würzige Luft ein, die ihm durch die einsetzende abendliche Kühle entgegenwehte.
    Weg waren die Stimmen! Keine Geister mehr, die sich meldeten.
    Er sah die Kirche, als er sich drehte. Sie warf einen Schatten auf den Boden. Die alten Grabsteine standen oder lagen unberührt. Der Mond war jetzt besser zu sehen. Seine Farbe war von einem milchigen Weiß in ein Gelb gewechselt. Er sah sogar die Sterne deutlicher, vor die sich kein Vorhang aus Wolken geschoben hatte.
    »Ich bin allein!«, flüsterte Claas Claasen. »Ich bin wirklich allein auf diesem Gelände. Mir ist keiner gefolgt, und die Toten liegen wieder in den Gräbern…«
    Er freute sich plötzlich und gab dieser Freude durch ein Kichern Ausdruck. Mit den Füßen trat er gegen den Boden. Dann straffte er seine Schultern, um auch den letzten Teil des Weges zu gehen, damit er endlich sein Ziel erreichte.
    Der Mönch wartete auf ihn. Claas wusste das. Sein Sinnen und Trachten war jetzt darauf programmiert, den Mönch zu besuchen.
    Die Furcht war weg. Diesmal dachte er daran, dass er etwas Besonderes war, das ihm allein an diesem Abend vorbehalten blieb.
    Nach wenigen Schritten sah er bereits die Straße wie einen dunklen, völlig still liegenden Kanal. Hin und wieder huschten Schatten mit hellen Augen darüber hinweg. Es waren die Autos, keine schnell fahrenden Schiffe.
    Der Mönch war vom Straßeneingang her besser zu erkennen.
    Claas näherte sich aus der anderen Richtung. Er musste einen kleinen Bogen schlagen, um endlich vor ihm stehen zu können.
    Seine Knie zitterten leicht. Er schluckte einige Male und glaubte, dass sein Speichel bitter schmeckte. Wieder klebte der kühle Schweiß auf seiner Stirn. In seinem Hinterkopf spürte er ein leichtes Tuckern, und auch das Gefühl in der Magengegend war nicht besonders angenehm.
    An Flucht dachte er nicht mehr. Jetzt war er da. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Als er die letzten Schritte ging, wischte er die schweißfeuchten Hände an den Hosenbeinen ab.
    Direkt vor dem Mönch blieb er stehen!
    ***
    Im Hellen sah der Mönch aus

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