1322 - Das Grauen von St. Severin
kenne.«
»Das Deich-Hotel zu den Claasens.«
»Genau.«
»Und der Einladende ist dieser Hajo Becker?« Das Misstrauen war aus Sukos Stimme hervorzuhören.
Ich ließ den Brief sinken. »Genau der. Ein Mann, den ich nicht kenne. Stell dir das mal vor.«
»Ich frage mich, ob es auch einen Grund für die Einladung gibt.«
»Komischerweise, ja. Das heißt, ein Grund gehört dazu. Es soll um die Aufarbeitung eines zurückliegenden Falls gehen. Um den Mörder-Mönch von Keitum.«
»Ja, ich erinnere mich, obwohl ich nicht mit auf der Insel gewesen bin. Da war doch was mit dem Spuk, nicht?«
»Ja, der Mönch hat zu ihm gehört. Er selbst war eine Kreatur der Finsternis.«
»Wurde sie nicht freigelassen?«
»Das auch.«
»Dann denk mal an den letzten Fall zurück, John.«
Da hatte Suko ein wahres Wort gesprochen. Da waren wir auch mit dem Spuk konfrontiert worden und hatten erfahren müssen, dass ein aus Dämonenseelen gebildetes Reich nicht mehr so dicht war, wie es hätte sein sollen. Denn der Spuk konnte auch nicht verhindern, dass sich einer meiner schrecklichsten Gegner auf die Rückkehr vorbereitete: der Schwarze Tod.
»Was schreibt er sonst noch?«
Ich hob die Schultern und ließ den Brief auf den Schreibtisch flattern. »Keine Details. Das Zimmer ist reserviert, und es geht um den Mönch.«
»Den es nicht mehr gibt.«
»Genau. Aber warum schreibt er mir dann, wenn die Sache längst gegessen ist?«
»Anscheinend ist sie das nicht«, meinte Suko.
Ich war nachdenklich geworden und nickte vor mich hin. In meinem Job lebte ich praktisch von völlig verrückten und nicht nachvollziehbaren Fällen. Zumindest nicht mit der reinen Logik.
Ich kämpfte gegen die Mächte der Finsternis an, und die wiederum bekämpften mich. Das ging nun schon über Jahre. Dabei hatte ich die Erfahrung machen müssen, das nicht alle Fälle immer abgeschlossen waren, wenn wir sie hinter uns gebracht hatten. Des Öfteren kam noch etwas nach und das war hier ebenso der Fall. Oder lief darauf hinaus.
»Als du zum letzten Mal auf der Insel gewesen bist, ist dir da der Name Hajo Becker untergekommen?«
»Nein, das weiß ich genau.«
»An wen kannst du dich denn noch erinnern?«
»Nun ja, an Claas Claasen.« Ich begann automatisch zu grinsen.
»An die gedrehten Bierchen und die alten Pflaumen. O ja, da habe ich mal eine schlimme Nacht an der Bar erlebt. Davon abgesehen, jetzt drängt sich wieder einiges in meine Erinnerung hinein. Es gab da eine Silke von Bremen und auch einen Andreas Brass, der dort mit seiner Frau und seinem kleinen Sohn Urlaub machte. Er wurde auch in den Fall hineingezogen. Wie dem auch sei, der Mönch ist…« [1]
»Nicht vernichtet«, sagte Suko. »Sonst hätte man dir nicht diesen Brief geschickt.«
»Da habe ich trotzdem meine Probleme.«
»Und was willst du tun?«
»Erst mal nachdenken.«
»Ich an deiner Stelle würde nicht nur nachdenken, sondern auch anrufen. Du kennst Claas Claasen doch gut.«
»Was glaubst du, worüber ich gerade nachgedacht habe?«
»Dann schlag zu.«
Das Telefon stand bereit. Allerdings musste ich mir erst noch die Nummer besorgen. Dafür sorgte Glenda, die natürlich auch wissen wollte, warum mir ein gewisser Hajo Becker geschrieben hatte.
»Man hat mich nach Sylt eingeladen.«
»Sag nur. Einfach so?« Glenda sah mich erstaunt an.
»Mehr kann ich dir auch nicht sagen.«
»Und du kennst den Mann wirklich nicht?«
»Nein.«
»Das ist schon verdächtig, John. Ich an deiner Stelle würde es mir überlegen.«
»Klar, das werde ich auch. Aber zunächst rufe ich im Deich-Hotel an, wenn du mir die Nummer besorgt hast.«
»Was tut man nicht alles für dich.« Sie verschwand im Nebenzimmer und ließ zwei nachdenkliche Männer zurück.
»Der Spuk schafft es nicht mehr«, sagte Suko. »Er geht neue Wege. Das haben wir beim letzten Fall erlebt, als er den Menschen die Schatten raubte. Und wir wissen, dass er sich in Vincent van Akkeren einen menschlichen Helfer gesucht hat. Zwischen dem Mörder-Mönch von Keitum und Vincent van Akkeren gab es eine Verbindung. Du hast ihn vernichtet. Seine Seele müsste normalerweise in das Reich des Spuks eingegangen sein, und jetzt stellt sich die Frage, ob sie es geschafft hat, sich aus diesem Gefängnis der Ewigkeit zu lösen. Nichts Unmögliches, wenn wir davon ausgehen, dass sich die Welt der Dämonen im Umbruch befindet.«
»So könnte man es sehen«, stimmte ich mit leiser Stimme zu.
»Und du glaubst nicht an einen
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