1322 - Das Grauen von St. Severin
wusste, dass dieser Besuch bei dem Mörder-Mönch noch nicht ausgestanden war. Da konnte es noch böse Folgen für ihn geben.
Er merkte auch den Druck, der auf seiner Brust lastete, so dass es ihm schwerfiel, normal Atem zu schöpfen. Endlich schaffte er es, sich zu bewegen. Mit sehr vorsichtig gesetzten Schritten ging er auf den Spiegel zu. Er wollte sich jetzt genauer anschauen. Da fühlte er sich beinahe wie ein Masochist.
Ja, alles stimmte.
Seine Augen schimmerten rot. Es gab keine Pupillen mehr. Alles schien mit dieser Farbe bestrichen worden zu sein. Claas wusste jetzt, dass er es nicht überstanden hatte. Es gab einen neuen Mönch, und der war auch weiterhin gefährlich. Nur anders, als derjenige, den John Sinclair vernichtet hatte.
John Sinclair!
Der Name sprang ihn förmlich an. Wenn jemand helfen konnte, dann er. Ja, er musste wieder auf die Insel kommen. Claas konnte nur hoffen, dass der Geisterjäger die entsprechende Zeit fand.
Am Rand des Waschbeckens fand er eine Stütze. Wieder wirbelten Gedanken und Vermutungen durch seinen Kopf. Claas wusste, dass es eine Lösung gab, nur fand er nicht den Weg dorthin. Sein eigener Anblick hatte ihn zu sehr geschockt.
Jetzt war er froh, seine Frau nicht geweckt zu haben. Anja hätte durchgedreht. Zu Recht. Sie hatte ihn auch davor gewarnt, zur Kirche zu fahren.
Was war zu tun?
Claas Claasen konnte sich selbst keine Antwort geben. Er musste sich auf das Prinzip Hoffnung verlassen. Möglicherweise zog sich die Veränderung der Augen ja wieder zurück, so dass alles normal wurde. Es war grauenhaft, wenn er sich vorstellte, dass er als Hotelier so herumlief und die Gäste in seine veränderten Augen schauten.
Er trug keine Kontaktlinsen in dieser Farbe. Es war alles normal gelaufen. Er hatte den Mönch nur angeschaut und nun waren seine Augen bei ihm.
Claas drehte sich vom Spiegel weg, weil er den eigenen Anblick nicht ertragen konnte. Er gab ein Geräusch von sich, das sich wie ein tiefes Schluchzen anhörte.
Wie ein Betrunkener wankte er auf die Tür zu, um den Weg ins Schlafzimmer zu finden. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als sich ins Bett zu legen und versuchen, etwas Schlaf zu finden.
Anja war nicht erwacht. Sie hatte sich auf die rechte Seite gedreht und hielt einen Arm dabei ausgestreckt, als wollte sie mit der Hand nach der oberen Bettkante greifen.
Auch Claas legte sich hin. In diesen Augenblicken spürte er erst recht, wie allein er war. Mit offenen Augen schaute er gegen die Decke und wunderte sich fast darüber, dass sich die roten Augen dort oben nicht abmalten, um wieder auf ihn hinabzuschauen.
Angst steckte in ihm!
Nicht nur Angst um sich. Auch die Angst um seine Frau und die drei Kinder.
Das Leben war so herrlich gewesen in den letzten Monaten. Aber jetzt hatte der Teufel persönlich mit seinem Schwert dazwischen geschlagen, um dem Grauen freie Bahn zu verschaffen…
***
»Post für dich aus Deutschland, John!«
Glenda Perkins schwenkte den Umschlag, als ich das Büro an diesem Morgen betrat. Suko, der hinter mir kam, drückte die Tür zu.
»Von Harry Stahl?«
»Nein.«
»Wer schreibt mir dann?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Der Brief stammt von einem Hajo Becker.«
»Kenne ich nicht.«
»Aber er scheint dich zu kennen, John.«
»Ja, das muss wohl so sein.«
Glenda drückte mir den Brief in die Hand. »Willst du ihn nicht öffnen?«
»Gern. Aber nicht sofort. Erst brauche ich einen Kaffee und meinen Stuhl am Schreibtisch. Dann sehen wir weiter. Ob ich den Brief jetzt oder zehn Minuten später öffne, das macht den Kohl auch nicht fett.«
»Er hätte dir ja auch eine Mail schicken können«, meinte Glenda.
»Manche Menschen gehen eben noch den alten und auch sicheren Weg. Ist doch toll.«
»Wenn du das sagst.«
Suko holte seinen Tee, ich den Kaffee, den Glenda frisch gekocht hatte. Mit ihm und dem Brief ging ich in das Büro, das Suko und ich uns teilten.
»Kennst du einen Hajo Becker?«, fragte ich meinen Freund und Kollegen.
»Bestimmt nicht. Aber er kennt dich.«
»Das scheint so.«
»Dann schau mal nach.«
Ich war auch darauf gespannt, was mir dieser Mensch zu schreiben hatte. Mit dem Metallöffner schlitzte ich das Kuvert auf, faltete den Brief auseinander und fing an zu lesen.
Dass ich dabei den Kopf schüttelte, blieb auch Suko nicht verborgen. Er fragte: »Was hast du?«
»Ha, man lädt mich ein.«
»Toll. Zu einer Fete?«
»Nein, das nicht. Nach Sylt, Keitum, in ein Hotel, das ich sehr gut
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