1327 - Lady Sarahs Totenfrau
ab.«
Auch Jane wartete. Etwa zwei Schritte trennten sie von der anderen Frauengestalt.
Ich warf einen Blick zurück. Fast wie eine Kampftruppe hatten sich meine Freunde aufgebaut. Sie standen nicht mehr so dicht beisammen und bildeten eine breit gefächerte Reihe.
Es würde, es musste etwas passieren, und wir erkannten, dass Jane bereits Kontakt zu Lysana aufgenommen hatte. Beide »unterhielten« sich. Nur hörten wir kein einziges Wort. Nur an Janes Bewegungen war zu erkennen, dass dort eine Unterhaltung ablief.
Sie schüttelte auch den Kopf, und einen Moment später sahen wir, wie Lysana lächelte. Dann drehte sie sich um. Sie ging weg. Es war auch jetzt nichts zu hören, und als sie den Schatten der Bäume erreichte, löste sich ihre Gestalt auf.
Jetzt kam auch Bewegung in die Detektivin. Sie drehte sich um.
Dabei wischte sie über ihre Augen.
Bis auf den Pfarrer kamen alle zu uns und wollten von Jane wissen, was passiert war.
»Eigentlich nicht viel«, sagte sie.
»Lysana hat uns nur den Rat gegeben, zu verschwinden.«
»Sehr schön«, meldete sich Bill Conolly. »Und warum hat sie das getan?«
Jane musste sich die Kehle freiräuspern, denn die Antwort fiel ihr nicht leicht. »Weil… weil … Sarah ihr gehört, hat sie gesagt. Niemand könnte ihr das verwehren.«
Bills Lachen klang etwas unpassend, aber es musste heraus. »Ist sie denn verrückt geworden?«
»Bestimmt nicht«, sagte ich. »Sie ist eine Totenfrau, die schon von den Sumerern verehrt wurde. Man verbannte sie, aber sie war nicht vernichtet, und Lady Sarah hatte nun mal das Pech, ihr Bildnis zu kaufen. Damit hat sie sich selbst etwas Schlimmes angetan. Sie war nicht nur Besitzerin, sie ist auch von jemand anderem besessen worden, solange sie das Bild besaß. Das schien sie gewusst zu haben. Wer dieses Bild besitzt, der hat auch zugleich die Begleiterin ins Reich der Toten an seiner Seite. So und nicht anders muss man es sehen.«
»Und wie geht es jetzt weiter?«, fragte Sir James, als alle anderen schwiegen.
»Ich kann es Ihnen nicht sagen«, antwortete Jane, »Sie will, dass wir verschwinden.«
»Werden wir das tun?«
Ich wusste mir auch keinen Rat, und meinen Freunden erging es ebenso.
»Hat sie es denn ernst gemeint?«, fragte Sheila leise.
»Und ob. Eine wie Lysana spaßt nicht. Wir hätten das Bild verbrennen sollen, aber wer denkt schon daran?«
Das stimmte, Vorwürfe brauchten wir uns nicht zu machen. Lady Sarah hätte uns zu ihren Lebzeiten etwas über dieses Erbe erzählen können. Das hatte sie nicht getan, und jetzt mussten wir sehen, wie wir aus dieser Lage herauskamen.
Bevor wir eine Entscheidung treffen konnten, kam der Pfarrer herbei. Er war hochrot im Gesicht, was ihm keiner verübeln konnte.
So etwas wie heute hatte er noch nie erlebt.
Er blieb in unserer Nähe stehen und schüttelte heftig den Kopf.
»Bitte«, sagte er mit scharfer Stimme. »Ich… ich … kann es einfach nicht begreifen. Das hier geht über meinen Verstand. Es hat die Frau gegeben, das konnte ich sehen. Plötzlich aber ist sie verschwunden. Ist das denn noch alles normal?«
»Nein, das nicht«, sagte ich. »Aber in diesem Fall schon.«
»Wie?«
Es musste eine Entscheidung getroffen werden, und die traf ich in diesem Fall. Meine Freunde überraschte ich damit wohl nicht, allerdings den Pfarrer.
»Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn wir die Beerdigung verschieben, Mr. Wilson?«
»Bitte?« Er schaute mich starr an. »Haben Sie etwas von Verschieben gesagt?«
»Ja, aufschieben.«
»Das… das geht nicht. Das ist unmöglich. Wo denken Sie hin? Ich habe Termine. Meine Zeit ist eingeteilt. So einfach geht das nicht. Ich habe mir für diese Beerdigung Zeit genommen, aber mein Terminkalender ist voll.«
Keiner von uns glaubte, dass er uns anlog, und deshalb nickten wir. Aber wir blieben dabei, dass die Beerdigung jetzt nicht stattfinden konnte.
»Da kann ich dann auch nichts machen.« Mr. Wilson hob die Schultern. »Heute geht es auf keinen Fall. Wir müssten einen neuen Termin machen. Ich weiß nicht, ob der Sarg…«
»Wir werden das schon machen«, entschied Sir James. »Gehen Sie ruhig Ihrer Arbeit nach, Mr. Wilson.«
Der gute Mann zeigte sich noch verunsichert. Er schaute von einem zum anderen, hob die Schultern, lächelte verlegen und meinte schließlich entschuldigend, dass es wirklich nicht anders möglich sei und dass er so etwas wie diese Frau noch nie zuvor gesehen hätte und dass er sich über ihre Nacktheit
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