1327 - Lady Sarahs Totenfrau
ausgesucht und sich auch eingekauft. Es war nicht leicht, hier seine letzte Ruhestätte zu finden. Der Friedhof glich mit den gepflegten Wegen, den hohen Bäumen, unter denen die Hecken herliefen, einem großen Park. Hinzu kamen die nicht sehr kleinen Gräber, die allesamt einen gepflegten Schmuck zeigten, wobei die Insignien aus Kreuzen, Statuen und Steinen bestanden.
Ich war vor Beginn der Trauerfeier allein über den Friedhof gegangen. Ich hatte mich umgeschaut und alles bewundert. Für mich war der Friedhof mehr ein Gelände, das Ruhe ausströmte. Man konnte seine Gedanken fliegen lassen und über das Leben, aber auch den Tod nachdenken, der nun einmal zum Leben gehört.
Natürlich hatten sich meine Gedanken stark um Lady Sarah Goldwyn gedreht. Viele Dinge, die wir gemeinsam erlebt hatten, waren in der Erinnerung noch mal hochgeströmt und hatten mich beschäftigt. Es waren schöne und auch gefährliche Tage gewesen.
Sehr oft hatte Sarahs Leben am seidenen Faden gehangen. Aber sie hatte irgendwie nie richtig wahrhaben wollen, dass es auch mit ihr mal zu Ende gehen konnte, obwohl sie für die Zeit nach ihrem Tod Vorbereitungen getroffen hatte, und ich musste auch daran denken, dass ich ihr nie böse hatte sein können. Meine Vorwürfe hatte sie stets mit einem Lächeln quittiert und ihnen so die Schärfe genommen. Und sie war beinahe zu einer Ersatzmutter für mich geworden.
Das war vorbei. Endgültig. Und wie endgültig, wurde mir besonders bewusst, als ich in der Trauerhalle stand, zusammen mit den Freunden und den Sarg anschaute.
Blumen und Kränze umlagen ihn. Letzte Grüße von Freunden. Es waren wirklich nur Freunde gekommen. Keine Nachbarn, bei denen Lady Sarah so beliebt gewesen war. Wir hätten alle nichts dagegen gehabt, wären ihr Tod und die Zeit danach normal verlaufen.
Das aber war nicht der Fall.
Etwas lauerte. Etwas wollte sich nicht mit dem Ende der alten Frau zufrieden geben. Da gab es noch welche, die eine offene Rechnung präsentierten. Der Schwarze Tod, Vincent van Akkeren, sie gehörten dazu. Und natürlich die geheimnisvolle Lysana zusammen mit ihren Totengeistern, die bestimmt nicht aufgegeben hatten.
Wir sahen die Totenfrau nicht. Aber wir hatten sie nicht vergessen, und wir dachten daran, dass sie irgendwann erscheinen würde, wie auch immer.
In unsere Trauer hinein mischte sich höchste Wachsamkeit, trotzdem lauschten wir den Worten des Priesters. Der Mann machte seine Sache gut. Er sprach nicht übertrieben salbungsvoll, doch seine Worte trafen uns ins Herz, und so floss auch manche Träne.
Der Weg von der Halle bis zum Grab war nicht weit. Das letzte Stück würden wir den Sarg tragen, ansonsten fuhr er auf der Ladefläche eines kleinen Elektroautos.
Ein letztes Gebet wurde gesprochen. Musik erklang. Traurige Klänge, die zur Stimmung passten.
Wir hatten uns auf zwei Reihen verteilt. Jane Collins wurde in der ersten von Suko und mir flankiert. Glenda, die drei Conollys und auch Sir James standen hinter uns, zusammen mit Shao.
Als der letzte Ton der Musik verklungen war, verließen auch wir die Trauerhalle. Draußen holten wir erst einmal tief Luft, die feucht und klamm in unsere Lungen drang.
Jane, die neben mir stand, schüttelte den Kopf. »Es ist einfach zu schnell gegangen«, flüsterte sie mit erstickter Stimme. »Und wenn ich ehrlich sein soll, so kann ich es noch immer nicht richtig begreifen.«
»Da sagst du was.«
Glenda Perkins gesellte sich zu uns. Sie trug einen dunkelgrauen Hosenanzug. Die verweinten Augen wurden von einer Sonnenbrille verdeckt. Hin und wieder drang ein heller Strahl durch die Wolken. Ansonsten blieb es ziemlich trübe.
»Habt ihr etwas Verdächtiges gesehen?«
Jane schüttelte den Kopf. »Uns ist nichts aufgefallen. Dir denn?«
»Auch nicht. Trotzdem muss ich immer an die verdammten Flugmonster denken. Die wollen mir einfach nicht aus dem Kopf. Hat van Akkeren denn so leicht aufgegeben? Oder der Schwarze Tod?«
Ich konnte Glendas Gedanken nachvollziehen und sagte: »Für beide ist die Sache vorläufig erledigt. Sie haben es geschafft, die erste Person aus unserer Gruppe zu töten. Jetzt wird es weitergehen, und wir werden verdammt gut die Augen aufhalten müssen. Sonst kann es zum großen Chaos kommen. Davon könnt ihr ausgehen.«
»Wird sie denn kommen?«, fragte Glenda. Dabei schaute sie an uns vorbei in den Friedhof hinein.
»Lysana?« Ich zuckte die Achseln. »Keine Ahnung. Aber dass sie etwas vorhat, davon gehe ich aus. So
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