133 - Dämonenerbe
Taxifahrer war ein alter, schweigsamer Mann, der kein Interesse hatte, einen neuen Geschwindigkeitsrekord aufzustellen.
Rebecca lehnte sich bequem zurück, rauchte eine Zigarette und blickte aus dem Fenster.
Früher hatte man am riesigen Zentralfriedhof vorbeifahren müssen, das war jetzt anders, eine dicht befahrene Autobahn führte in die Stadt.
„Entschuldigen Sie, gnä' Frau", riß sie der Taxifahrer aus ihren Gedanken. „Sie wollten doch in die Ratmannsdorfgasse?"
„Ja"
„Wir sind da. Wo soll ich halten?"
Verwirrt blickte sich Rebecca um. An beiden Seiten der schmalen Gasse standen Kastanienbäume, deren Äste sich im sanften Wind bewegten.
„Das Eckhaus da vorn."
Der Fahrer blieb vor dem mächtigen Haus stehen, das inmitten eines großen Gartens stand, der von einer hohen Steinmauer umgeben war.
Rebecca gab ein großzügiges Trinkgeld, dann stieg sie aus und blickte sich forschend um. Der Fahrer stellte die Koffer vor dem Gartentor nieder.
„Soll ich sie ins Haus tragen, gnädige Frau?"
„Danke, das ist nichtnotwendig."
„Auf Wiedersehen", sagte der Fahrer, tippte sich kurz an die Hutkrempe und kroch hinters Lenkrad. Rebecca wartete, bis er in die Jagdschloßgasse einbog, dann schritt sie ein wenig zögernd auf das Tor zu.
Ein strahlend blauer Himmel spannte sich über die Stadt, doch es war beißend kalt.
Die Klinke schien aus Eis zu sein. Überrascht zog sie die Hand zurück. Dann griff sie nochmals zu, drückte die Klinke nieder und schritt durch das Tor. Nach zwei Schritten blieb sie stehen.
Ein breiter Weg führte schnurgerade zwischen hohen Tannen zum Haus. Das Haus war etwa hundert Jahre alt und wirkte - so wie der Garten - etwas heruntergekommen. Überall wuchs Unkraut, und die Sträucher hätten dringend gestutzt gehört.
Wunderbar, dachte Rebecca, ich bin innerhalb der vorgeschriebenen Zeit im Garten eingetroffen. Was geschieht nun weiter?
Die Tannen bewegten sich plötzlich, ein durchdringendes Raunen ging von den Bäumen aus. Die Koffer flogen an ihr vorbei und verschwanden im Hausinneren. Mit einem lauten Knall flog das Tor hinter ihr zu.
Die Tannen wurden durchsichtig und änderten die Gestalt. An ihrer Stelle befanden sich nun 13 Dämonen, die sie ernsthaft anblickten. Alle musterten sie durchdringend. Die meisten kannte sie persönlich, unter ihnen war auch Vigor, der wie bei seinem Besuch in London mit dem frackähnlichen Anzug bekleidet war.
„Rebecca!" schrie er mit donnernder Stimme. „Wir, die wir hier versammelt sind, können bezeugen, daß du zur rechten Zeit eingetroffen bist. Ich frage dich im Namen des Teufels, trittst du Skarabäus Toths Erbe an?"
Rebecca mußte sich sehr beherrschen, sonst hätte sie losgelacht. Die wie versteinert dastehenden Dämonen wirkten ungemein lächerlich, und Vigor mit seinem theatralischen Gehabe war unbestreitbar der Höhepunkt dieser Schmierenkomödie. In der Nacht bei Fackelbeleuchtung, begleitet von Blitz und Donner, wäre es vielleicht weniger komisch gewesen.
„Ja, im Namen Satans nehme ich Skarabäus Toths Erbe an." „So soll es geschehen. Toths Reichtümer gehören dir, Rebecca."
Die anderen Dämonen murmelten ein paar Sprüche, die Rebecca nicht verstand und auch nicht verstehen wollte.
Zuerst gratulierte ihr Vigor, dann die anderen. Alle schüttelten ihr die rechte Hand, ein paar klopften ihr kumpelhaft auf die Schulter. Danach war die Dämonin reif für ein Vollbad. Ihre Hand fühlte sich wie besudelt an.
Jetzt muß ich diese ganze verdammte Bande noch auf einen Umtrunk ins Haus einladen, dachte sie verzweifelt. Vermutlich erwarten sie auch, daß ich eine wohlklingende Rede halte.
Aber Vigor zerstreute ihre Bedenken. Erstmals war der lebende Leichnam ihr ein wenig sympathisch.
„Wir wollen dich nicht länger belästigen, würdige Rebecca. Unsere Glückwünsche begleiten dich." Wimmernde, zischende und heulende Geräusche erfüllten nun den Garten. Die schaurigen Gestalten verschwanden unter Hinterlassung der widerlichsten Gerüche, die man sich nur vorstellen konnte. Luzifer sei Dank, dachte Rebecca. Jetzt sehe ich mich mal im Haus um.
Doch dazu sollte sie nicht mehr kommen.
Ihre für eine Dämonin fast unglaubliche Naivität und Gutgläubigkeit rächte sich.
Alle ihre guten Vorsätze, daß sie vorsichtig sein wolle, hatte sie vergessen.
Sie eilte auf das Haus zu, vorbei am Schwimmbecken und pfiff vergnügt vor sich hin. Ich werde die Villa Coco schenken, vielleicht freut sie sich darüber, überlegte
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