133 - Die Letzte ihrer Art
das derzeitige Chaos nicht nutzen würde, um diesen Dreck ein für alle Mal dahin zu befördern, wo er hingehört. In den Ausguss.«
Was die Art der Entsorgung anging, so sprach er nur sinnbildlich. Dass der frisch gehaltene Fischlaich ins Meer gelangte war nämlich das Letzte, was er wollte. Nein, der Dreck gehörte endgültig vernichtet. Dafür plädierte er schon lange, aber die Marineführung konnte sich einfach nicht zu einem unumkehrbaren Schlussstrich entschließen. Nun gut, in diesem Fall – und angesichts der aktuellen Wirren – musste die Verantwortung eben auf niedrigerer Ebene übernommen werden.
Kerry war dazu bereit.
»Los, zurück zum Trockenbereich«, befahl er. »Sie kennen ja den Weg.«
Der Biologe gehorchte, wenn auch nur widerwillig. »Was soll das?«, fragte er, obwohl er genau verstanden hatte.
»Machen Sie doch keinen Unsinn, Commander. Was ich hier in Händen halte, ist bares Geld wert. Nein, es ist sogar noch besser als Geld. Die bestehenden Währungen werden nämlich alle bald wertlos sein. Doch für das hier…«, er hob das unförmige Gefäß einige Zentimeter an, »… wird es immer Interessenten geben.«
»Keiner, der es zu etwas gebracht hat, ist so dämlich, für diesen Mist Geld auszugeben.«
»Aber natürlich«, widersprach Crocker eindringlich. Er witterte wohl Morgenluft, weil er einen Dialog in Gang gebracht hatte, denn eindringlich fuhr er fort: »Denken Sie doch nur an die Klimaveränderungen, die uns bevorstehen. Denen ist unsere Spezis gar nicht gewachsen. Was aber wäre, wenn wir Khans Forschungen dazu benutzen, um uns gegen Kälte resistent zu machen? Oder uns neue Lebensräume erschließen. Im Meer oder…«
Alleine die Vorstellung, sich mit Genen der NNFUs zu impfen, drehte Kerry den Magen um. »Halten Sie lieber das Maul«, forderte er, »oder ich stopfe es Ihnen mit Blei.«
Okay, das klang ganz schön nach John Wayne, aber es erzielte seine Wirkung. Crocker verfiel in verkniffenes Schweigen, während sie die leeren Titanglasbecken entlang marschierten.
Die Automatik wich dabei keinen Millimeter aus dem Ziel.
Und sie rückte niemals näher als fünf Meter heran. Fünf Meter.
Diese Entfernung konnte niemand schneller überbrücken als er den Abzug durchziehen.
Die transparente Tür zum Trockenbereich stand offen.
Selbst in der trüben Notbeleuchtung glänzte die Bodenwanne wie frisch gewienert. »Da reinkippen, den Dreck, aber schnell.«
Crocker stand mit dem Rücken zu ihm. Ein Ziel, so groß wie ein Scheuentor, trotzdem wagte er zu zögern.
»Überlegen Sie es sich doch noch mal«, bat er mit weinerlicher Stimme. Den Glasbehälter mit beiden Händen fest an die Brust gepresst, drehte er sich herum. Tatsächlich, in seinen Augen glitzerten ein paar echte Tränen. »Was ich hier in Händen halte, ist doch Leben. Das können wir nicht einfach vertrocknen und verrotten lassen.« Oha, die ethische Schiene.
Ausgerechnet von diesem Typen.
»Es gibt Mittel und Wege, den Prozess zu beschleunigen«, versicherte Kerry kalt. Da sein Gegenüber nur verständnislos blinzelte, deutete er mit dem Kinn in Richtung der Labortische, auf denen noch immer Glasbehälter voll hochkonzentrierter Salzsäure standen. Vor allem zu Reinigungszwecken gedacht, war die Säure auch hervorragend geeignet, grünen Fischschmodder bis aufs letzte Molekül zu zerfressen. Die kurze Bewegung, mit der Kerry auf die Gefäße deutete, währte nicht länger als eine Sekunde.
Gegenüber einem unbewaffneten, mit zerbrechlichem Gut beladenen Gegner konnte man sich das ruhig herausnehmen.
Das oder etwas Ähnliches musste er, Commander B.J, Kerry, Elitekämpfer im Dienste ihrer Majestät, wohl unbewusst gedacht haben, als ihm dieser folgenschwere Fehler unterlief.
Leider hatte er es nicht nur mit einem Biologen, sondern auch mit einem gedrillten MI 6 Agenten zu tun. Von einem Sekundenbruchteil zum nächsten entschwand Crocker aus seinem Gesichtskreis. Tauchte einfach ab.
Gedankenschnell senkte Kerry die Waffe – und lag mit seiner Vermutung richtig. Crocker hatte sich mit den Füßen voran zu Boden geworfen und rutschte, den Glasbehälter weiter fest an die Brust gepresst, auf ihn zu.
Wenn er wegen des Sturzes Schmerzen verspürte, ließ er sich nichts davon anmerken. Stattdessen führte er mit dem ausgestreckten rechten Fuß einen sichelförmigen Tritt aus.
Noch während Kerry sich fragte, welche Kampfsportart hier zum Einsatz kam, prallte die Stahlkappe eines Kampfstiefels auf seinen
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