1338 - Der Killer Suko
die normale Bleigeschosse nichts ausrichteten.
Ihren Schrei hatte ich gehört. Nur war es nicht der schrille Ruf einer Verletzten, sondern ein Schrei, der sie anfeuerte, denn für Justine war die Sache noch nicht beendet. Sie machte weiter und ließ den Inspektor nicht zu einem zweiten Schuss kommen.
Noch in der Bewegung schnellte ihr linker Arm vor und traf die Waffenhand des Mannes. Die Pistole geriet aus der Richtung. Eine halbe Sekunde danach machte sie sich bereits selbstständig und wirbelte durch die Luft.
Das sah ich, weil ich am Boden lag. Inzwischen hatte ich auch schon reagiert, nur wäre diese Reaktion zu spät gekommen. Ich rollte mich weiter und nahm die Szene wie in schnell ablaufenden Bildern in mich auf, bevor ich durch einen großen Schwung wieder auf die Beine kam.
Justine blieb am Mann. Genau das hatte sie gewollt. Inspektor Bleu erlebte das, was auch ich bereits durchgemacht hatte. Die Kraft der blonden Bestie überstieg die eines normalen Menschen bei weitem.
Sie packte sich den Mann, als hätte dieser kein Gewicht. Ein kurzes Anheben, dann warf sie ihn weg.
Der Körper wirbelte durch die Luft, bis er gegen die Wand prallte. Ein Brechen der Knochen war nicht zu hören, auch nicht nach dem zweiten Aufprall, als Bleu zu Boden schlug, aber sein Stöhnen wehte durch den Raum.
Justine folgte ihm. Sie brauchte nur einen Sprung, um ihn zu erreichen.
Das Stöhnen des Mannes erreichte auch mich. Ich war zu weit von ihm entfernt. Als ich die beiden fast erreichte, da hatte sich Justine schon gebückt und riss ihn hoch. Sie wusste, dass ich mich hinter ihrem Rücken befand, doch sie drehte sich nicht um und sprach mich an.
»Er gehört mir!«
Ich blieb stehen. Ich hatte gewusst, dass dies auf mich zukommen würde. Es waren die Sekunden der Entscheidung. Es gab zwei Wege. Zum einen konnte ich versuchen, Justine davon abzuhalten, sein Blut zu trinken, zum anderen konnte ich es auch lassen.
Wenn ich mich für den ersten Weg entschied, stand ich nicht mehr auf ihrer Seite. Zum anderen hatte sie mir das Leben gerettet, wieder einmal. Ich wusste auch, wie sehr der Hunger und die Gier in ihr fraßen. Es gab bei ihr eine Grenze, die ich nicht überschreiten konnte. Da vergaß sie alles, da drehte sie durch.
Ich hatte mich noch immer nicht entschieden und ging auf sie zu.
Justine merkte dies. Sie drehte sich um, weil sie mir ins Gesicht schauen wollte. Den Kollegen hatte sie hochgerissen und hielt ihn mit einer Hand fest. Der Mann war nicht mehr in der Lage, sich zu wehren. Er sah schlaff aus, aber es war mir auch gelungen, einen Blick in sein Gesicht zu werfen.
Nein, das hatte er nicht aus eigenem Antrieb getan. Die Augen hatten noch immer diesen fremden und ungewöhnlichen Ausdruck.
Er stand unter dem Einfluss des Hypnotiseurs. Für sein Handeln war er nicht verantwortlich.
Und jetzt sollte er sein Blut verlieren?
»Nein, nein, Justine. So nicht.« Ich deutete auf ihn. »Es war nicht sein Wille, mich zu töten. Nicht sein freier Wille. Er stand unter Saladins Einfluss. Du kannst nicht hingehen und ihn…«
»Ich brauche das Blut!«
Das glaubte ich ihr. In diesen Augenblicken merkte ich, dass es nicht eben nur positiv war, eine Vampirin an seiner Seite zu haben.
Das konnte auch zur anderen Seite hin ausschlagen, und genau das erlebte ich in dieser Zeitspanne.
Wir standen dicht voreinander. Wir schauten uns an. Ich schüttelte den Kopf und machte Justine klar, was ich davon hielt, wenn sie meinem Kollegen das Blut aussaugen wollte. Auch wenn sie mir das Leben erneut gerettet hatte, musste sie sich an gewisse Regeln halten.
Ihr Gesicht war so kalt. Eine perfekte und wie geschnitzt wirkende Schönheit. Nichts regte sich in der Nähe ihrer Augen oder am Mund. Sie blieb so eisig wie ein gefrorener Block.
Würde ich es trotzdem schaffen, sie überzeugen zu können?
Ich öffnete den Mund. Ich wollte noch mal…
Sie war schneller.
Wieder sah ich nicht mehr als einen Schatten. Es war eine Hand, aber das spielte keine Rolle mehr.
Der Treffer erwischte mich am Hals.
Etwas sirrte durch meinen Kopf. Dass ich zu Boden fiel, bekam ich nicht mehr mit…
***
Suko ging wie automatisch. Sein Gesicht war ausdruckslos. Er schaute nach vorn, aber er machte nicht den Eindruck eines Menschen, der genau wusste, was vor ihm passierte.
Suko war in sich selbst gefangen und wurde trotzdem von den Kräften eines anderen Menschen beherrscht. Er war nicht in der Lage, dies nachzuvollziehen. Saladin hatte es
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