1338 - Der Killer Suko
Blutrausch waren vorbei, das Opfer lag neben ihr auf dem Rücken und bewegte sich nicht mehr.
Aber Inspektor Bleu würde sich bald bewegen. Den genauen Zeitpunkt wusste ich nicht. Mir war nur klar, dass er irgendwann aus der Tiefe wieder aufsteigen würde, um dann seinen neuen Weg zu gehen, hinein in die normale Welt, in der er als blutgieriger Widergänger Angst und Schrecken verbreiten würde.
Ich hatte es nicht gewollt. Aber ich war auch nicht in der Lage gewesen, es zu verhindern.
Trotzdem verfiel ich nicht in eine Depression, denn ich dachte daran, dass er mich hatte erschießen wollen. Es wäre ihm auch fast gelungen, wenn Justine Cavallo nicht eingegriffen hätte.
Ausgerechnet sie.
Wieder mal!
Ich verdankte ihr erneut mein Leben. So toll dies auch war, dass ich noch existierte, aber die Umstände, wie es dazu gekommen war, konnten mir nicht gefallen.
Justine drehte sich langsam um. Wahrscheinlich kannte sie die Wirkung ihrer Schläge und ging davon aus, dass ich nicht mehr bewusstlos am Boden lag.
Während sie sich umdrehte, stand sie auf. Dies geschah mit einer glatten und so sicheren Bewegung, dass ich sie sogar insgeheim dafür bewunderte.
Sie blieb an der Stelle stehen. Das Licht der Kerzen reichte aus, um sie genau sehen zu können. Sie hatte die Lippen in die Breite gezogen und die Oberlippe zurückgedrückt. Ich sah die beiden langen Vampirzähne, deren Vorhandensein das so perfekte Gesicht zu einer Fratze machten.
»Ich bin satt, John!«
Beinahe hätte ich gelacht. Ja, das konnte ich mir vorstellen. Sie war satt. Einmal das Blut eines Menschen zu trinken, reichte bei der blonden Bestie für eine Weile.
»Ich sehe es dir an.« Nur mit Mühe hatte ich den Satz hervorbringen können, weil meine Kehle schmerzte. So schnell waren die Nachwirkungen des Schlags gegen den Hals nicht zu verkraften.
Justine schüttelte leicht den Kopf. »Du hättest es dir ersparen können, Partner…«
»Hör auf, verdammt!«
»Warum?«
»Ich sehe dich nicht als Partnerin an. Wann geht das endlich in deinen Kopf hinein?«
»Denk an das, was hier vorgefallen ist.«
»Ja, verdammt.« Mehr sagte ich nicht. Ich wollte es nicht. Dafür stemmte ich mich hoch und war froh, dass ich problemlos auf beiden Füßen stehen blieb, ohne wegzukippen. Zwar war ich nicht in Topform und litt auch unter Halsschmerzen, aber das ließ sich verkraften.
»Die Kugel hat dich nicht getroffen, aber mich«, erklärte Justine.
»Sie steckt noch in meinem Körper. Er hat mich nicht in den Kopf schießen können.«
»Das sehe ich.«
Justine amüsierte sich. Sie sprach noch mit mir, aber ich hörte gar nicht hin, denn durch meinen Kopf jagten andere Gedanken. Es war hier im Zimmer des verletzten Templerführers einiges geschehen, mit dem ich nicht gerechnet hatte, doch den hauptsächlichen Grund hatten wir vergessen. Wir waren nicht hergekommen, um uns um einen vom Gehirn her manipulierten Menschen zu kümmern. Uns war es um eine andere Person gegangen, die leider in den Hintergrund gerückt war.
Mir fiel sie jetzt wieder ein.
»Van Akkeren!«, flüstere ich scharf.
Justine hätte mir jetzt eine Antwort geben müssen, aber sie sagte nichts. Genau das brachte mich auf eine schreckliche Idee. Ich drehte mich um und schaute mir den größten Teil des Raumes an.
Vincent van Akkeren war nicht mehr da.
»Ich konnte es nicht verhindern, Partner«, erklärte die blonde Bestie. »Er hat den günstigen Augenblick genutzt.«
»Ja!«, schrie ich sie an. »Ja, das hat er. Und warum hat er das, verdammt noch mal? Weil du unbedingt das Blut meines Kollegen trinken musstest! Das allein war der Grund. Jetzt ist er frei. Er ist uns beiden entkommen, und wir fangen wieder von vorn an.«
»Wir werden ihn uns holen!«
»Klar, klar, wann denn? In der Zwischenzeit kann er längst bei Saladin sein und…«
»Dort wird ihn Suko erwarten!«
Ich schwieg. Etwas Heißes schoss durch meinen Körper bis hoch in den Kopf. Plötzlich spürte ich hinter der Stirn das Hämmern.
»Suko« war das Stichwort gewesen. Wir hatten uns getrennt, aber ich konnte nicht davon ausgehen, dass er gegen Saladin gewonnen hatte. Sonst wäre es dem Hypnotiseur nicht gelungen, den französischen Kollegen unter seine Kontrolle zu bringen.
Die Cavallo hatte meinen irritierten Blick bemerkt und fragte:
»Was hast du?«
»Suko wird möglicherweise nicht der Gewinner gewesen sein«, antwortete ich mit rauer Stimme.
»Ach. Und warum nicht?«
Ich erklärte es ihr.
Sie winkte ab.
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