1338 - Die Sechstageroboter
eine exakt gezeichnete geometrisclie Figur, die mich jedoch nicht zu Begeisterungsstürmen hinreißen konnte. Picasso dagegen schon.
Golem versicherte, daß noch mehr kam, und dann ließ er das ganze Programm durchlaufen, und zwar rasend schnell, aber dennoch viel zu lange. Ich konnte gar nicht mehr hinschauen, wie sich die verschiedenen Figuren aneinanderfügten und ein immer komplizierteres, dreidimensionales Gebilde bildeten. „Das ist der Konstruktionsplan eines Raumschiffs!" rief Dao-Lin plötzlich. Und da wurde auch ich hellwach. Der Monitor zeigte nun das fertige Produkt, ein flaches, breites, am Bug gerundetes und am Heck wie abgeschnittenes Gefährt, das ohne weiteres ein Raumschiff sein konnte. In der Draufsicht erinnerte es an einen Rochen ohne Schwanz, von der Seite wirkte es wie ein flachgedrückter Fisch mit nach unten gezogener Schnauze. „Wie kannst du so sicher sein, daß es ein Raumschiff ist, Dao-Lin?" fragte ich. „Das könntest du auch, hättest du dir die einzelnen Konstruktionsphasen angesehen", erwiderte die Wissende. „Woher hast du diesen Bauplan, Golem?"
„Von einem Bruder aus der Werft, wo mal diese Dinger hergestellt wurden", antwortete der Fünfer. „Er ist ein Vierer und als einziger in der Werft eine mobile Einheit."
„Kannst du uns dorthin bringen?" fragte ich schnell, bevor er uns eine ellenlange Geschichte erzählen konnte. „Ich komme selbst nicht dort hinein", erwiderte Golem. „Mal hat es ein neugieriger Sechser, ebenfalls ein Bruder, versucht und ist von der Sicherheitsanlage zerstrahlt worden. Darum habe ich es selbst nie versucht. Aber der Vierer-Konstrukteur kommt gelegentlich zu mir heraus. Bei einer solchen Gelegenheit hat er mir das Modul gebracht."
„Ich will es haben", rief Picasso dazwischen. „Will es unbedingt haben."
„Ich werde es dir einbauen lassen", versprach Golem und machte sich sofort ans Werk.
Dao-Lin und ich sahen einander an. „Ich denke, daß wir hier nichts mehr verloren haben", sagte Dao-Lin, und ich konnte ihr da nur zustimmen. „Es muß doch möglich sein, die Sicherheitsanlage zu desaktivieren und in die Werft einzudringen. Der Vierer könnte uns helfen."
Golem hatte unser Gespräch mitgehört. „Ich könnte ein Treffen vereinbaren", bot er sich an.
Es war schon spät, darurn wollten wir zum Beiboot zurück. Golem sollte sich melden, wenn er das Rendezvous mit dem Vierer arrangiert hatte. „Der Konstrukteur wird aber auch einen Namen haben wollen", gab er zu bedenken. „Er soll Leonardo heißen", verkündete ich. Als Dao-Lin mich mißbilligend ansah - vermutlich klang der Name für eine Kartanin nicht ganz so gut -, erklärte ich: „Leonardo da Vinci war ein genialer terranischer Erfinder." Dabei beließ ich es, und auch Dao-Lin war zufrieden.
Wir verließen die Servicestation ohne Picasso und machten uns auf den Flug zum Landeplatz, Fazit des zweiten Tages: Es schien, als seien wir bei unseren Nachforschungen nicht viel weitergekommen. Es hatten sich auch wirklich keine neuen Aspekte ergeben. Noch immer waren wir weit davon entfernt, den Ursprung der Ctl-Roboter zu klären. Sie nannten sich zwar nach einem Gys-Voolbeerah, aber ihre Erbauer waren ganz gewiß keine Molekülverformer. Die Robotdynastie hatte ja schon existiert, als die Gys-Voolbeerah nach Pinwheel kamen. Ich hielt die Antwort auf die Frage, wer die Ctl-Roboter gebaut hatte, auch gar nicht für so wichtig. Mich interessierte vor allem, in welcher Beziehung sie zu den Wissenden standen.
Es mochte so sein, daß die Wissenden bei der Wiederentdeckung der Robotdynastie sich daran erinnerten, wie sehr die Kartanin in der Vergangenheit unter deren Herrschaft gelitten hatten, und darum das Verbot aussprachen.
Das klang logisch. In dieses Schema paßte auch die Tatsache, daß die Ctl-Roboter ein archaisches Kartanisch sprachen. Aber einige beherrschten auch das moderne Kartanisch der Gegenwart. Und das gesamte Ctl-Robotsystem benutzte den kartanischen Informationskode.
Es steckte also viel mehr dahinter, als wir bis jetzt absehen konnten. Ganz verwarf ich den Gedanken immer noch nicht, daß die Einser mit dem Clan der Wissenden identisch waren. Aber ich legte mich in meinen Spekulationen nicht fest.
Immerhin hatten wir die Chance, einen Vierer kennenzulernen und von ihm mehr zu erfahren. Ich war sehr gespannt, was wir bei der Besichtigung der Weritanlagen erfahren würden. Daß wir es schaflen würden, dort einzudringen, war für mich sonnenklar.
Wie viele
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