1339 - Der Blutengel
mehr in Atlantis, sondern hier in Frankreich.
Und wir? Welche Rolle spielten wir dabei? Ich konnte es nicht mit Bestimmtheit sagen. Wenn ich es ganz objektiv betrachtete, dann waren wir durch die Ereignisse zu Statisten degradiert worden.
Suko zeigte auch keine große Geduld mehr. »Willst du hier auf Myxin warten?«
»Was schlägst du denn vor?«
»Wir könnten ihn zumindest fragen, ob er etwas erreicht hat.«
Ich wollte Suko schon zustimmen, als mir eine verrückte Idee durch den Kopf schoss. Ich kannte das. Plötzlich öffnete sich der Geist. Da sehen die Dinge dann anders aus, weil sich ein Weg auf getan hat, und die Idee war so quer, dass ich sie nicht aus dem Kopf bekam.
»He, was ist mit dir los, John?«
»Ich hab’s!«
»Und was?«
»Ich glaube, ich kenne den Weg, um an den Schwarzen Tod und möglicherweise an den Blutengel heranzukommen.«
»Da bin ich aber ganz Ohr.«
»Es ist der Knochensessel!«
***
Nein!
Suko sprach das Wort zwar nicht aus, aber es stand ihm irgendwie ins Gesicht geschrieben. Zuerst zeigte sich der erschreckte Ausdruck auf seinen Zügen, dann schüttelte er langsam den Kopf.
»Du willst doch nicht… äh … ich meine …«
»Doch, Suko, ich will. Der Knochensessel hat mir schon öfter geholfen. Er ist für mich die Transportmöglichkeit. Ich will zu ihnen, verstehst du?«
»Durch den Sessel?«
»Ja.«
»Aber das ist…«
»Meine letzte Hoffnung, Suko. Ich habe das silberne Skelett des Hector de Valois nach Äthiopien schaffen können. Da hat er geholfen, und ich bin mir sicher, dass er es wieder tun wird.«
»Er soll dich also in die Arme des Schwarzen Tods schaffen – oder?«
»Nicht direkt. Ich will nur Antworten haben. Er wird es spüren. In seinem Gebein steckt die Antwort auf unsere Fragen. Der Würfel hat mir den Blutengel gezeigt und seine Ankunft gewissermaßen angekündigt. Aber der Sessel ist stärker. Er wird dafür sorgen, dass ich das Ziel richtig erreiche. In ihm steckt die Magie eines Templers. Er besteht aus seinem Gebein. Er kann es nicht zulassen, dass diese Komturei einfach von den Gegenmächten übernommen wird. Man muss ihn nur vernünftig einsetzen, und das werde ich tun.«
»Bisher habe ich alles begriffen, John. Du willst also durch den Sessel erfahren, wo sich unsere Gegner aufhalten?«
»Ja. Daran habe ich auch früher schon gedacht, es leider aber wieder vergessen. Jetzt sehe ich genau den richtigen Zeitpunkt gekommen, um es zu wagen.«
Suko kannte mich, ich kannte Suko. Was wir uns einmal in den Kopf gesetzt hatten, das führten wir auch durch, und daran dachte mein Freund wohl, als er abwinkte.
»Du hast nichts dagegen?«
»Was kann ich denn tun?«
Ich lachte. »Nicht viel. Ich möchte nur, dass du dich in meiner Nähe aufhältst.«
»Wie soll das aussehen?«
»Bleib am Sessel. Wir kennen ihn zwar, aber wir kennen ihn eigentlich nicht richtig. In ihm steckt eine gewaltige Templermacht. Ich weiß nicht, wofür sie sich entscheidet. Deshalb wäre es besser, wenn ich dich in meiner Nähe weiß.«
»Alles klar, der Herr. Ich werde sehen, was sich machen lässt. Aber sollte Myxin etwas herausgefunden haben, wirst du dich doch von deinem Plan verabschieden, nicht wahr?«
»Das wird sich zeigen.«
Wir hatten das Kloster mittlerweile betreten und befanden uns noch immer in dieser staubigen und geruchsintensiven Umgebung.
Die hatte leider mit dem alten Kloster nichts zu tun. Völlig still war es auch nicht. Irgendwo rieselte und knackte noch immer etwas. Ob noch irgendwelche Decken vor dem Einsturz standen, wer wusste das?
Wir gingen wieder dorthin, wo einst unser Freund Godwin de Salier residiert hatte. Wieder kam mir beim Eintreten sein Zimmer so leer und anders vor. Leer auch deshalb, weil wir Myxin darin vermissten. Wir hatten gedacht, dass er sich hier aufhalten würde.
Jetzt standen wir da und schauten uns an.
»Wo steckt er?«, fragte Suko.
»Keine Ahnung.«
Suko schaute auch in den Nachbarraum. Auch dort war Myxin nicht.
»Ob er uns geleimt hat?«, fragte er.
»Warum sollte er? Welchen Grund hätte es denn für ihn geben sollen?«
»Seine Wege sind oft unergründlich.«
Ich grinste. »Wichtig ist nur, dass wir zu einem Ziel gelangen. Alles andere interessiert mich nicht.«
»Du hast es gut.«
Ich musste lachen. Es klang nur nicht ehrlich, sondern so wie ich mich fühlte. Sehr gespannt und angespannt. Auch ich wunderte mich über Myxins Verschwinden, aber ich wollte nicht länger darüber nachdenken. Von meinem
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