1342 - Die Totmacher
ausstrahlte. Das war ihr angeboren. Schon als junges Mädchen hatte sie die Kerle angemacht und das genau hatte auch Lou Gannon so an ihr fasziniert.
»Mir ist kalt.«
»Dann zieh dir was Wärmeres an.«
»Okay.«
Mira Mills bückte sich, um den Rucksack zu öffnen. Ihre dünne Lederjacke streifte sie ab. Darunter trug sie nur einen roten BH. Der Slip unter ihrer ledernen Hose bestand aus dem gleichen Material.
Einen braunen Pullover mit Rollkragen holte sie hervor, während Lou Gannon sie beim Anziehen beobachtete.
Er wollte sein »Haarteil« nicht mehr tragen. Es störte ihn, dass es den Kopf so deformierte. Deshalb zog er das Ding aus weichem Kunststoff ab und verstaute es in seinem Rucksack.
Mira schaute auf die pechschwarzen Haare ihres Freundes und zugleich in das kantige Gesicht mit den vorstehenden Wangenknochen und der hohen Stirn. Sie sah auch, dass Lou eine Flasche aus dem Rucksack genommen hatte.
Er setzte sie an und ließ den Gin in seine Kehle laufen. »Willst du auch einen Schluck?«
»Nein, nein, lass mal…«
»Tut aber gut.«
Jetzt bewies sich wieder, wie abhängig die Frau von ihrem Freund war. Sie konnte einfach nicht nein sagen, wenn er etwas von ihr verlangte. Und so nahm sie die Flasche entgegen und trank ebenfalls einen kräftigen Schluck. Sie verzog das Gesicht, als sie Lou die Flasche zurückgab. Das war nicht ihre Welt.
»Noch einen?«
»Nein!«
Gannon trank wieder. Seine Freundin schaute ihm zu. Sie wusste, dass der Typ immens viel vertragen konnte, ohne aus den Stiefeln zu kippen. Deshalb machte es ihr auch nichts aus, als er sich einen zweiten Schluck als Zugabe gönnte.
Dann drehte er die Flasche wieder zu und warf sie zielsicher in den offenen Rucksack hinein.
»Sehr gut«, kommentierte er.
»Was ist gut?«
»Der Gin.«
»Ach, hör auf.«
Er drehte sich um. »Ich brauche ihn, das weißt du doch. Und du weißt auch, dass mich gewisse Dinge immer aufputschen. Nicht nur der Alkohol, sondern auch du.« Sein Blick erhielt einen anderen Ausdruck. »Du verstehst, was ich damit meine.«
Für einen Moment presste sie die Lippen zusammen. Ja, sie verstand, was er meinte, aber sie sagte lieber nichts. Es gab Momente, da war es besser, wenn sie den Mund hielt, doch die Gier in seinen Augen war beredt genug.
»Ha… äh … du willst?«
Gannon nickte. »Klar will ich.« Er ließ sein Beil fallen. »Hier sind wir ungestört. Du glaubst nicht, wie es in mir aussieht. Los, zieh dich schon aus!«
Er hatte den letzten Satz im Befehlston gesprochen. Mira wusste, dass es schlecht für sie war, wenn sie sich weigerte.
Sie dachte auch gar nicht daran, sich zu weigern. Gerade das reizte sie so an diesem Menschen. Seine Gier, seine Ausstrahlung. Da verglich sie ihn manchmal mit einem Tier.
Auch das traf diesmal zu. Sie hatte kaum ihren Slip abgestreift, als er wie ein »Tier« über sie herfiel…
***
Wendy Blaine war unglücklich. Und wenn sie dieser Zustand mal erreicht hatte, konnte sie einfach nicht in ihrem Zimmer bleiben, denn es kam ihr vor wie ein Gefängnis.
Raus aus dem Raum. Das Haus war groß genug. Auch in den anderen Zimmern gab es Fenster. Sie hatte sich nicht getraut, aus dem Fenster in ihrem Zimmer zu schauen. Nur immer einen vorsichtigen Blick nach draußen geworfen und dabei den Garten auf die Schnelle abgesucht.
Es war dunkler geworden und auch nebliger. Aber sie hatte keinen Menschen gesehen.
Auch ihn nicht. Den Mann mit der Axt im Kopf. Nein, das war für sie kein Mann. Das war ein Monster. Ein schrecklicher Mensch.
So ganz anders als ihr Vater. So grauenhaft und böse. Trotz ihrer Jugend schaffte sie es, logisch zu denken, und sie stellte sich vor, dass es keinen Menschen auf der Welt gab, der leben konnte, wenn eine Axt in seinem Kopf steckte. Das war einfach nicht möglich.
Aber der hier hatte gelebt oder lebte noch.
Darüber kam sie nicht hinweg. Sie erschauerte, wenn sie daran dachte, und bekam eine Gänsehaut.
Sie hatte Angst. Sie schaltete im gesamten Haus das Licht ein, auch in der oberen Etage, in der sie sich nicht aufhielt.
Warum waren ihre Eltern noch nicht zurück?
Wendy kannte die Regeln. Sehr oft fuhr ihre Mutter los, um den Vater abzuholen. Eigentlich hätten die Beiden schon längst zurück sein müssen, aber das dauerte noch.
In seiner Fantasie stellte sich das Mädchen vor, was passieren konnte. Wie dieser Kerl mit der Axt im Kopf plötzlich vor ihren Eltern erschien, seine Waffe hervorzog und…
Nein, sie wollte nicht mehr
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