1343 - Manons Feuerhölle
sahen, wollte ihnen nicht in den Kopf. Es war für sie einfach unbegreiflich. Wenn es eine Erklärung gab, dann hing sie nur mit dem Teufel zusammen.
Es war niemand da, der sich traute, Manon Lacre aufzuhalten.
Und so konnte sie ihren Weg in die Freiheit gehen. Eine Frau, die kein normaler Mensch mehr war, sondern ein glühendes Wesen.
Ein dunkelroter Körper auf zwei Beinen, der sich vorbewegte und sich überhaupt nicht dafür interessierte, wer sich in seiner Nähe aufhielt.
Die Hütte hatte ihren Standort am Rand des Dorfes gefunden. Bis zum nahen Wald war es nicht weit. In der Dunkelheit war er nicht mal zu erahnen, hinzu kam das Schneegestöber.
Durch das schritt Manon Lacre. Selbst der dichte Schnee schaffte es nicht, ihren Glutkörper zu löschen. Vor den Augen der Zuschauer verschwand sie wie ein brennendes Gespenst in der Nacht.
Gesehen hatte man sie im Ort nie mehr…
***
Unter den Handflächen klebte das feuchte Laub. Manon spürte auch einige Blätter an ihrer Gesichtshaut, was ihr nichts weiter ausmachte. Die Gegenwart war im Moment nicht so präsent, denn ihre Gedanken beschäftigten sich mehr mit der Vergangenheit, in die sie wieder mal zurückgeführt worden war.
Es schwächte sie jedes Mal. Einen derartigen Trip zu überstehen, war schwer. Es kostete sie große Kraft. In ihrem Kopf verteilten sich die Schmerzen. Zum Glück nicht so stark, dass sie behindert worden wäre. Alles ließ sich noch aushalten.
Manon richtete sich auf. Es klappte recht gut, denn auch das Schwindelgefühl hielt sich in Grenzen. Mit dem Rücken gegen die Steinmauer der Kapelle gelehnt, blieb sie sitzen. Sie verfluchte ihr Schicksal nicht, sie haderte auch nicht damit, doch es war ihr schon verdammt unangenehm, diese Rückführungen erleben zu müssen.
Es glich jedes Mal einem Leiden. Da hatte sie unwahrscheinliche Mühe, sich wieder in der normalen Zeit zurechtzufinden. Sie merkte die Schwäche. Hätte ihr jetzt ein Feind gegenübergestanden, es wäre ihr sicherlich nicht gelungen, ihn zu besiegen.
Sie hatte Glück.
Es war niemand da, der sie beobachtete. Noch immer schützte sie der Schatten der Kapelle. Es war alles gut. Sie musste sich nur zusammenreißen. Das konnte sie.
Mit ihren Handflächen strich sie über die Haut am Gesicht hinweg. Ja, es war zu fühlen. Unter der Haut erlebte sie weiterhin diese Wärme. Es war der Fluch oder der Segen der Vergangenheit, der auch jetzt noch in ihr steckte.
Wieso kamen bei ihr die Vergangenheit und die Gegenwart zusammen? Das begriff sie nicht. Aber sie gab zu, dass beide Zeiten bei ihr untrennbar miteinander verbunden waren. Ihre Gegenwart hatte stark mit der Vergangenheit zu tun.
Allmählich kühlte sie aus, und so verwandelte sie sich wieder in einen normalen Menschen. Aber es würde wiederkehren, dessen war sie sich sicher. Es kehrte immer wieder. Erst der Brand, dann die Erinnerung an die Vergangenheit.
Warum? Wieso?
Fragen, auf die es für sie keine Antworten gab. Da musste sie einfach passen, aber sie wusste auch, dass sie ein besonderes Schicksal hinter sich hatte.
Die irre Angst vor dem Feuer gab es nicht mehr. Damals hatte sie wahnsinnig gelitten, doch nun war sie so weit, um sich die Frage zu stellen, ob diese Angst nicht einfach zu ihr gehörte oder sogar zu einer anderen Person, die aber in Wirklichkeit sie selbst war. So hatte sie bereits an eine Doppelexistenz gedacht, ohne sich diesen Begriff genau erklären zu können.
Hinzu kam noch etwas, über das sie jetzt wieder nachdachte. Sie war nicht allein gewesen. Es hatte jemanden gegeben, der sich bei all ihren ungewöhnlichen Vorgängen im Hintergrund aufgehalten hatte. Nur konnte sie nicht sagen, wer diese Gestalt gewesen war.
Sie hatte sich schon Gedanken darüber gemacht. Auch in der Hütte hatte sie ihn schemenhaft gesehen.
Ihn oder es?
Eine konkrete Antwort konnte sie darauf nicht geben. Diese Gestalt war für sie nicht zu greifen gewesen. Sie hätte sie nicht mal beschreiben können.
Ein Geist? Ein Feuergeist und zugleich jemand, der ihre Existenz garantierte?
Es war alles möglich, aber sie hatte keine Chance, etwas zu erklären. Genau das bereitete ihr Probleme. Wenn sie selbst schon ein derartiges Phänomen war, dann wollte sie das zunächst noch hinnehmen und sich nicht mit der Suche nach irgendwelchen Antworten quälen.
Aber das wollte sie nicht immer nur hinnehmen. Irgendwann musste es eine Antwort geben, die bestimmt etwas mit ihrem ungewöhnlichen Schicksal zu tun hatte.
Noch saß
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