1345 - Gruft der Erleuchtung
dahinter steckt."
„Und zwar?" fragte Dao-Lin.
„Sie wissen, daß du buchstäblich alles tun würdest, um Lao-Sinh zu retten", erklärte Nikki gedehnt. „Und damit haben sie recht. Du bist sogar bereit, gegen ihre Anordnungen zu verstoßen und mit uns Fremdlingen über diese Dinge zu sprechen."
„Sie haben mir in diesem Punkt keine Anordnungen gegeben", fuhr die Kartanin stolz auf.
„Das war auch gar nicht nötig", behauptete Nikki. „Du weißt genau, daß sie es nicht billigen werden!"
Dao-Lin schwieg.
„Das Scotaming hat etwas ausgeplaudert, was du nicht erfahren solltest", fuhr Nikki fort. „Die Voica wissen, daß du schnurstracks in diese Gruft rennen würdest, um Lao-Sinh zu retten, und sie wollen nicht, daß du das tust. Warum wohl? Weil ihnen nichts an Lao-Sinh liegt? Dann hätte Poerl wohl kaum seit Tagen die Angst der Wissenden gespürt!
Nein, sie würden Lao-Sinh warnen, wenn es ihnen möglich wäre - aber sie können es nicht. Selbst wenn alle siebzehn hingingen, hätten sie keine Chance. Wenn es anders wäre, würden sie es tun. Sie würden auch dich hinschicken, Dao-Lin, aber sie wagen es nicht. Sie haben Angst um dich."
Dao-Lin schwieg.
„Um ehrlich zu sein", murmelte Nikki Frickel, „muß ich eingestehen, daß ich dich in jeder Beziehung sehr hoch einschätze, Dao-Lin. Du bist eine großartige Kämpferin, und dumm bist du auch nicht gerade. Außerdem bist du eine Kartanin, und was immer auch mit dieser ominösen Gruft los sein mag, es wird wohl etwas mit kartanischen Geheimnissen zu tun haben. Wenn du keine Chance hast - und das glauben die Voica ja wohl -, dann dürfte es sich um eine ziemlich hoffnungslose Angelegenheit handeln!"
„Ja", sagte Dao-Lin ruhig. „Das glaube ich auch."
Nikki Frickel betrachtete sie nachdenklich.
„Du rechnest dir eine Chance aus", stellte sie fest.
„Nicht mir allein, aber uns dreien."
„Warum?"
„Wegen der kartanischen Geheimnisse", erklärte Dao-Lin mit dem Anflug eines Lächelns. „Ihr seid keine Kartanin. Ihr seht, riecht, fühlt und denkt anders als wir. Wo ich aufgrund meiner Herkunft blind bin, da werdet ihr sehen - und umgekehrt."
Nikki hatte Poerl Alcouns Arm längst losgelassen.
„Ich werde mit dir gehen!" rief die Tefroderin spontan und sprang schnell auf.
„Wie nett von dir, mich zum Mittagessen einzuladen, sagte die Fliege zur Spinne", murmelte Nikki spöttisch.
„Aber wenn ich noch lange hier herumsitze, werde ich trübsinnig. Ich glaube, es wird Zeit, den Voica mal wieder ein bißchen auf die Nerven zu gehen."
Dao-Lin sah sie fragend an.
„Ich mache mit", übersetzte Nikki ihr Gemurmel.
Dao-Lin-H'ay atmete auf.
4.
Die Voica waren dem Wahnsinn nahe, denn bei ihren intensiven Versuchen, Lao-Sinh auf irgendeine Weise zu warnen, hatten sie in überreichem Maß von den Tränen N'jalas Gebrauch gemacht. Aber allmählich war ihnen dann wohl doch aufgegangen, daß dies nichts einbrachte. Jetzt saßen sie erschöpft, stumm und verzagt in der Fernortungszentrale und starrten auf die flirrenden Lichtpunkte, die sich in Lao-Sinh breitmachten.
Dao-Lin blieb am Eingang stehen und sah sich nach Nikki Frickel und Poerl Alcoun um. Die beiden hatten versprochen, vorerst außer Sichtweite zu bleiben - es hatte keinen Sinn, die ohnehin entnervten Voica noch mehr zu schockieren, als sowieso schon nötig war.
Langsam trat sie in den Kreis der Wissenden. Die meisten Voica sahen nicht einmal auf.
„Ich möchte euch einen Vorschlag machen", sagte Dao-Lin.
„Und zwar?" fragte Nana-Bea mutlos.
„Das Scotaming hat die einzige denkbare Lösung bereits genannt. Ihr habt es nicht aussprechen lassen, aber das war auch gar nicht mehr nötig. Erklärt mir, wie ich zu der Gruft komme, und ich werde sehen, was ich dort ausrichten kann."
„Gar nichts kannst du dort ausrichten!" behauptete Trei-Ri grob. „Du wirst dort sterben, und das ist alles!"
„So schnell geht das bei mir nun doch nicht", behauptete Dao-Lin spöttisch. „Wenn es darauf ankommt, kann ich mich meiner Haut schon wehren."
„Das haben andere auch bereits gedacht."
Dao-Lin sah Sring-Hea überrascht an.
„Also war schon einmal jemand in der Gruft!" stellte sie fest.
Die Voica sahen einander schweigend an.
„Ja", seufzte Lei-Mama schließlich. „Anfangs, als wir noch nicht wußten, was wir damit anrichten konnten, haben wir es einer von den Neuen zu früh verraten. Sie wollte das Geheimnis ergründen. Wir haben sie niemals wiedergesehen."
„Was ist die
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