1346 - Mallmanns Schicksal
huschten wieder sehr menschliche Gedanken durch seinen Kopf. Aus Erfahrung wusste er, dass jemand, der in eine Rückenlage geraten war, seinem Gegner völlig unterlegen war.
Er würde nicht mehr wegkommen.
Das wusste auch der Schwarze Tod, der jetzt wieder über ihm schwebte und seine Sense schwang wie ein Dirigent seinen Taktstock. Er war sich seines Sieges sicher.
Mallmann schaute hoch!
Rote Augen glotzten ihn an!
Plötzlich hörte er in seinem Kopf eine Stimme. Er hatte dabei Mühe, die Worte zu verstehen, weil sie einen Nachhall besaßen.
»Töten werde ich dich – töten!«
Das Sensenblatt zielte auf Mallmanns Gesicht.
Und ihm war klar, dass es in zwei Hälften geteilt werden sollte!
***
Verschwunden war die Welt!
Keine Dunkelheit mehr. Dafür das graue Licht eines allmählich verschwindenen Tags ohne Sonne. Wenn Lichter brannten, dann waren sie künstlich. Laternen, oder die hellen Vierecke der Fenster.
Ein scharfer Wind wehte durch die Bäume am Straßenrand.
Autos fuhren über eine Fahrbahn. Ihre Scheinwerfer sahen aus wie helle Glotzaugen. Häuserfronten rahmten die Fahrbahn ein. Es gab an den Seiten Glotzaugen. Sie hörten dort auf, wo die Vorgärten der Häuser begannen.
Die Welt war völlig anders. Sie war so fremd für die Blutsaugerin Esmeralda, aber sie kannte sie aus ihrem ersten Leben als Mensch, bevor ihr Blut getrunken worden war und sie in der Vampirwelt eine zweite Heimat gefunden hatte.
Nichts mehr sah so aus, wie sie es gewohnt war. Alles hatte ein neues Aussehen bekommen, was Esmeralda überhaupt nicht störte, denn etwas anderes überlagerte die neuen Eindrücke.
Es war einfach nur der Geruch!
Blutgeruch!
Sie roch die Menschen, die sie nicht sah, die jedoch in der Nähe waren und nur darauf warteten, dass sie leer getrunken wurden.
Esmeralda hatte hinter einem Baumstamm Deckung gefunden.
Sie hatte das Gefühl zu schwimmen oder zu schwindeln. Sie wusste auch, dass sie am richtigen Ort gelandet war, aber das war für sie zunächst nicht wichtig. Die neuen Eindrücke überschwemmten sie wie eine gewaltige Woge. Damit musste sie erst mal fertig werden.
Der Baumstamm war feucht. Er war auch dunkel, so dass er einen guten Schutz bot. Aber er enthielt kein Blut. Das hätte sie gern getrunken. Leider musste sie damit noch warten. Wenn sie Menschen sah, dann saßen sie in den Autos. Als Spaziergänger bewegte sich keiner in ihrer Nähe.
Es würde ihr nichts anderes übrig bleiben, als in eines der Häuser zu gehen, das hatte sie sowieso vor.
Und sie wusste auch, wohin sie musste. Esmeralda brauchte nur am Stamm entlang vorbeizuschauen, um das Haus zu erkennen, das zu einem bestimmten Vorgarten gehörte.
Sie sah einen schmalen Weg, der zur Haustür führte. Sie sah auch das Außenlicht über der Tür, dessen Schein bis auf den Boden fiel und dort einen gelblichen Glanz hinterließ.
Nicht alle Fenster waren erleuchtet, aber es befand sich jemand im Haus. Einmal hatte sie hinter der Scheibe eine Bewegung gesehen und deutlich den Umriss eines Menschen erkannt.
Es war nicht Justine Cavallo. Das hatte sie gespürt und auch gesehen.
Wieder schickte sie einen Blick über den Gehsteig. Esmeralda lauerte darauf, an ihre Nahrung zu gelangen. Ein Mann oder eine Frau. Wer es war, spielte für sie keine Rolle. Sie wollte endlich den Lebenssaft schlürfen, um »aufzublühen«.
Den Gedanken an Justine Cavallo hatte sie zurückgedrängt, denn ihr fiel etwas auf.
Wieder fuhr ein Auto über die Straße, und ihr fiel auf, dass es recht langsam rollte. Anscheinend suchte der Fahrer einen Ort, wo er anhalten konnte.
Er fand ihn auch.
Es war ein Mann, der sein Fahrzeug in eine Lücke zwischen zwei Bäume lenkte.
Und das nicht mal weit vom Versteck der blutleeren Gestalt entfernt!
Esmeralda wurde nervös. Die Gier in ihr verdrängte alles. Sie dachte nicht mehr an das Treffen mit der blonden Cavallo. Jetzt war sie nur darauf bedacht, das Blut zu trinken.
Sie zog ihren Oberkörper leicht zusammen, stützte sich an der feuchten Stammrinde ab und bereitete sich auf den Sprung vor. Sie wollte den Mann erwischen, wenn er den Vorgarten erreicht hatte, ihn dort hineinschleudern und über ihn herfallen.
Von dem Zeitpunkt an gab es dann nur noch eines für sie: Blut!
***
Ich hatte mein Ziel fast erreicht. Es war auf der Fahrt nichts weiter passiert, aber meine Gedanken konnte ich von den Problemen einfach nicht lösen.
Immer wieder kehrten sie zu dem zurück, was mich am meisten beschäftigte.
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