1346 - Mallmanns Schicksal
seine Blicke schweifen. Er bewegte den Kopf und suchte in jede Richtung.
Zuerst sah er nichts!
Nur die Einrichtung. Aus Balken gezimmert. Alles war sehr klotzig. Nichts wirkte filigran. Auch die Lagerstätte nicht, die aus zwei übereinander liegenden Betten bestand.
Waren sie leer?
Er schaute hin!
Das untere Bett schon. Da lagen nur dunkle Decken übereinander getürmt. Und was war mit dem oberen?
Mallmann sah nichts. Er stellte sich auf die Zehenspitzen, um etwas erkennen zu können.
Das genau brauchte er nicht zu tun, denn auf dem oberen Bett regte sich etwas. Dort lagen ebenfalls Decken, und die gerieten in Bewegung. Bestimmt nicht von allein.
Mallmann ging tiefer in den Raum hinein. Wie er sonst noch eingerichtet war, interessierte ihn nicht. Er sah nur die Bewegung auf dem oberen Bett und roch das Blut.
Hexenblut!
Das war in diesen Augenblicken das Größte überhaupt für ihn.
Egal, ob es das Blut einer Hexe oder das einer normalen Frau war, er würde es genießen und es würden endlich wieder seine alten Kräfte zurückkehren.
Es war eine Frau, die ihre Decke zur Seite geschoben hatte. Sie drückte sich in die Höhe, blieb auf dem Bett sitzen und schüttelte ihr langes Haar, dessen Farbe der Vampir auf diese Entfernung hin und bei der Beleuchtung nicht genau erkennen konnte.
Ein paar Mal schüttelte die Person noch den Kopf, dann war sie fertig und warf auch den Rest des Stoffs von ihrem Körper.
Von einem Körper, der nackt war!
Mallmann war für einen Moment überrascht. Ein normaler Mann hätte sicherlich anders reagiert. Er hätte möglicherweise auch gepfiffen, aber den Vampir interessierte nur das Blut.
Er war jetzt entdeckt worden. Die nackte Hexe saß auf dem Bett und ließ die Beine nach unten baumeln. Nichts unterschied sie von einer normalen Frau. Wäre sie das allerdings gewesen, hätte sie sich bestimmt nicht in Assungas Nähe aufgehalten.
Sie gehörte zu ihr, und die Schattenhexe würde bestimmt nicht begeistert darüber sein, wenn Mallmann ihre Komplizin leer saugte, aber das war ihm jetzt egal.
Er wollte satt werden.
Die Hexe stierte ihn an. Sie sah sein Grinsen. Ihr Gesicht glänzte leicht, und sie stieß ein Zischen aus, als sie den Mund öffnete. Es war so etwas wie ein Zeichen, das sie sich selbst gegeben hatte, denn eine Sekunde später rutschte sie von der Bettkante weg und sprang nach unten.
Sie kam sicher an, kreischte los, und Mallmann wusste, dass sie keine Freunde werden konnten. Das war ihm auch egal. Ein kurzes Zucken um seine Mundwinkel herum bewies, dass er sich entschlossen hatte. Es gab nichts anderes für ihn. Er wollte Blut und griff die Hexe an…
***
Da stand sie nun und schaute uns an!
Wir hatten kaum gehört, dass sie das Haus betreten hatte, aber sie besaß einen Schlüssel, und damit hatte sie die Haustür aufgeschlossen. Der Rest war ein Kinderspiel gewesen. Mit lautlosen Schritten hatte sie sich dem Ort genähert, aus dem die Stimmen an ihre Ohren gedrungen waren, und nun stand sie dicht hinter der Türschwelle und schaute uns entgegen.
Sie sah aus wie immer. Das typische Outfit. Schwarzes hautenges Leder, dazu ein rotes Top, aus dessen Ausschnitt ein Teil der Brüste hervorquoll. Ihr hellblondes Haar stand im krassen Gegensatz zu der Farbe des Leders, und auf mich wirkte sie wieder wie eine Barbie-Puppe, der jemand das Outfit einer Domina verpasst hatte.
Sie fühlte sich wie eine Siegerin. Jedenfalls deutete sie das durch das lässige Wippen auf den Fußballen an.
Jane fand als Erste die Sprache wieder. »Ich hatte mich schon gefreut, Justine.«
»Dass ich nicht mehr zurückkehre?«
»Genau.«
»Pech gehabt. Und auch in Johns Beisein sage ich dir, dass ich mich hier wohlfühle.«
»Ach«, sagte ich, »nicht in der Vampirwelt?«
»Nein, nicht!«
Nach dieser Antwort setzte sie sich in Bewegung und schritt tiefer in das Wohnzimmer hinein. Sie bewegte sich wirklich wie jemand, der hier zu Hause war. Justine zeigte nicht die Spur einer Unsicherheit. Sie war voll und ganz darauf eingestellt, hier das Zepter zu schwingen, und das zog sie auch durch.
Es gab noch einen weiteren Sessel, in dem sie sich niederließ und die Beine übereinanderschlug. Fehlte nur das Getränk in der Hand, und alles wäre perfekt gewesen.
»Du kommst spät«, sagte ich. »Möglicherweise sogar zu spät.«
»Wieso?«
»Es ist nicht sicher, ob es deinen Freund Will Mallmann noch gibt. Der Schwarze Tod hat lange genug mit ihm gespielt. Er musste mal ein Ende
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