1346 - Mallmanns Schicksal
Vampir. Nur trank sie nicht das Blut der Menschen, Assunga ernährte sich von ihren Seelen.
Wenn sie mal ein Opfer gefunden hatte, dann gab es keine Chance, dass es überlebte. Assunga ernährte sich von den Seelen, und von einem Menschen blieben nur die blanken Knochen zurück.
Wo sie lebte, wohin sie sich zurückgezogen hatte, war Mallmann unbekannt, aber er würde es herausfinden, das stand fest. Dazu musste er nur sein »Gefängnis« verlassen.
Das tat er noch nicht, denn zunächst lauschte er, ob er irgendein Geräusch hörte, das ihn weiterbrachte. Dracula II war sehr misstrauisch geworden. Er musste höllisch aufpassen, denn es war ihm nicht gelungen, sich in eine große Fledermaus zu verwandeln. Ob das hier in diesem Bereich anders war, dafür hätte er seine Hand bestimmt nicht ins Feuer gelegt. Seit dem Erscheinen des Schwarzen Tods hatte sich einiges verändert.
Aber er stellte auch fest, dass nicht alle seine Freunde und Verbündeten waren. Assunga stand nicht auf der Seite dieses mächtigen Dämons. Das sah Mallmann als großen Vorteil für sich an.
Nach diesem Gedanken öffnete er die Tür. Eigentlich war er auf alles Mögliche gefasst und zugleich auf nichts, denn er hatte bewusst keinen Blick aus dem Fenster geworfen.
Während er die Tür langsam aufzog und dabei die schleifenden Geräusche vernahm, dachte er an den Zaubermantel der Schattenhexe. Er war etwas Besonderes, wie Will bereits erlebt hatte. Der Mantel hatte einmal Lilith gehört, einer mächtigen Dämonin, die in den Mythologien auch als die erste Hure des Himmels bezeichnet wurde. Später war er in den Besitz des Vlad Dracula gelangt, und da sah Mallmann wieder die Verbindung zu sich, dem Vampir. Er konnte sogar darüber lächeln und dachte daran, dass sich der Kreis schloss.
So schlecht ging es ihm nicht, und seine Vampirwelt gab er ebenfalls noch nicht verloren.
Die Tür stand offen.
Der erste Blick nach draußen!
Dracula II schüttelte den Kopf. Sein Erinnerungsvermögen war ihm noch nicht verloren gegangen. Sehr oft beschäftigte er sich damit. Besonders dann, wenn es Dinge gab, die bei ihm ein bestimmtes Bild auftauchen ließen, das er kannte.
So war es auch hier!
Eine besonders kleine Welt. Eine, wie man sie vielleicht in Märchen erlebte und mit seiner düsteren Vampirwelt nicht zu vergleichen, auch wenn es hier einen Grauschleier gab, der dafür sorgte, dass der Blick nicht so klar war, wie er hätte sein können.
Dracula II schaute nicht in eine leere Umgebung hinein, sondern in einen kleinen Ort, zu dem auch das Haus gehörte, auf dessen Türschwelle er sich aufhielt.
Er sah vor sich tatsächlich eine Straße, die von windschiefen Häusern gesäumt wurde. Er sah einen Brunnen und einen kleinen Platz am Ende der Straße.
Dort stand der Brunnen, der kein Wasser spie. Überhaupt war es sehr ruhig, und doch war es eine andere Stille als in seiner Vampirwelt. Er spürte sofort, dass diese Umgebung nicht leer war. Hier wohnten Lebewesen, wobei er sie nicht unbedingt als normale Menschen bezeichnete, obwohl er sie – und das war schon ungewöhnlich – roch.
Er zog einige Male seine leicht gekrümmte Nase hoch.
Menschen?
Das konnte stimmen. Menschen, in deren Adern Blut floss.
Wobei er sich nicht daran gewöhnen konnte, dass es normale Menschen waren. Da kam noch etwas hinzu.
Aber wer war Assunga?
Die Antwort lag auf der Hand. Sie war die Schattenhexe. Sie lebte nicht allein, und wer zu ihr gehörte, der konnte als Hexe betrachtet werden. Als wirkliche Hexe. Als eine, die der Schwarzen Macht nahe stand, die auf Lilith, den Teufel und Assunga fixiert war, und die eine gewisse Justine Cavallo so gern unter ihre Kontrolle bekommen hätte, auch zusammen mit Mallmanns Hilfe.
Daran allerdings dachte er in diesem Moment nicht. Überhaupt war Justine Cavallo aus seinem Gedächtnis verschwunden. Sie interessierte ihn nicht mehr. Für ihn war sie zu einer Episode aus der Vergangenheit geworden.
Dracula II hatte den Eindruck, vor einer völlig neuen Etappe seiner weiteren Existenz zu stehen. Seine Gedanken drehten sich nicht mehr um den Schwarzen Tod und auch nicht um seine Vampirwelt.
Hier und jetzt musste er sich auf einen neuen Abschnitt einstellen.
Eines allerdings war geblieben.
Der Hunger und der Durst nach Blut!
Viel zu lange hatte er nichts mehr zu sich nehmen können, und das spürte er sehr deutlich. Er wusste nicht, was in seinem Körper genau vor sich ging, aber es gab dort Kräfte, die seine Gier
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