1346 - Mallmanns Schicksal
setzen.«
Sie sagte nichts.
»Geschockt?«
»Nein, bin ich nicht.« Dieses starre und durchaus schöne Gesicht zeigte ein Lächeln. »Ich glaube nämlich nicht, dass es ihn erwischt hat.«
»Ach. Und warum nicht?«
Für einen Moment glänzten ihre Augen, und sie zeigte auch ihre Vampirzähne. »Ich hätte es gespürt«, erklärte sie. »Ja, ich hätte genau gemerkt, wenn er gestorben wäre.«
»Hast du überhaupt etwas gemerkt?«, wollte ich wissen.
»Ja, das schon.«
»Was denn?«
»Ich kann es nicht sagen, aber Mallmann lebt.«
»Nur wollte er dich als Helferin zur Seite haben«, erklärte Jane.
»Er hat sogar jemand aus der Vampirwelt geschickt. Eine Blutsaugerin namens Esmeralda. Sie sollte dich abholen, aber sie hat dich nicht gefunden und musste mit uns vorlieb nehmen.«
Justine schaute sich suchend um.
»Du brauchst dir keine Mühe zu geben«, sagte Jane. »Du wirst Esmeralda nicht finden. Es gibt sie nicht mehr.«
»Ihr habt sie vernichtet!«
»Genau!«
»Und warum?«
»Sie wollte Blut, unser Blut!«
Justine verengte ihre Augen. Dann lachte sie und wischte sich über ihre Lippen. »Das kann ich verstehen. Auch ich habe mich aufgemacht und mich gesättigt.«
Dieser letzte Satz versetzte mir einen Stich. Ich wusste ja, wie ihre Sättigung aussah. Sie holte sich Menschen und saugte sie leer. Irgendwann würden wir plötzlich auf jede Menge Vampire treffen, die durch London irrten.
Justine hatte mich angeschaut und sagte: »Ich kann deine Gedanken lesen, John.«
»Ach ja?«
»Klar.« Sie streckte sich und fühlte sich als die Siegerin in diesem Spiel. »Du fürchtest dich vor einer Vampirmeute, die plötzlich auftauchen könnte. Aber keine Bange. Noch sorge ich nicht dafür. Wenn ich sie leer getrunken habe, schaffe ich sie auch wieder weg. Man kann von entsorgen sprechen.«
Ich wollte nicht fragen, wie sie das tat. Es ging mir sowieso gegen den Strich, dass sie hier wie eine Siegerin saß. Fast wünschte ich mir, dass Bill es geschafft hätte, sie zu pfählen.
Und wieder kam es mir vor, als könnte sie Gedanken lesen, denn sie fragte nach Bill.
»Er ist okay«, erklärte ich.
»Wie toll für ihn.«
»Wieso?«
»Ich hätte ihn mir fast vorgenommen. Das heißt, im Nachhinein. Aber ich nahm Abstand davon. Vergessen habe ich nichts.«
»Es gibt andere Probleme.«
»Das stimmt.«
»Du wirst dich umstellen müssen, Justine. Du kannst dich auf Mallmann nicht mehr verlassen. Ich weiß nicht, wo er sich befindet, sollte er noch existieren, aber ich kann dir versichern, dass er die Macht nicht mehr besitzt wie früher. Aber dieses Thema hatten wir bereits. Darüber brauchen wir uns nicht mehr den Kopf zu zerbrechen.«
»War das ein Abschluss, John?«
Ich nickte ihr zu. »Ja, das war es.«
»Und warum?«
Ich hob mit einer langsamen Bewegung die Schultern. »Ich weiß nicht mehr, wo wir noch ein- oder angreifen sollen. Das ist für uns ein Abschluss gewesen. Die Dinge haben sich dramatisch verändert und umgekehrt.«
»Du bist ratlos.«
»Nicht nur John«, sagte Jane. »Auch für dich sind neue Zeiten angebrochen. Gib zu, dass auch du nicht weißt, was mit Mallmann passiert ist. Das Band zwischen dir und Dracula II ist gerissen, und ich sehe niemanden, der es wieder zusammenknüpfen könnte. Irgendwann hat alles mal ein Ende, Justine. Sogar bei einer Blutsaugerin. Ich brauche dich nur anzuschauen, um das bestätigt zu bekommen. Du bist mit leeren Händen hier erschienen. Du sitzt in deinem Sessel und weißt nicht, wie es weitergehen soll. Wären John und ich nicht involviert, würde es mich sogar freuen. Aber so haben auch wir unsere Probleme.«
Jane hatte wohl damit gerechnet, Justine zum Nachdenken zu bringen. Da hatte sie sich geschnitten. Die blonde Bestie behielt weiterhin ihre Sicherheit. »Muss ich euch sagen, dass alles im Fluss ist? Dass sich Wasser immer wieder einen neuen Weg sucht? So ist es auch hier. Es braucht keine neuen Wege mehr zu geben. Sie sind bereits eingeschlagen worden.«
»Woher weißt du das so genau?«
Justine lachte. »Gespür, Jane, reines Gespür. Am Ende des Jahres werden die neuen Pfade beschritten. Das neue Jahr liegt offen vor uns. Mit all seinen Überraschungen, das kann ich dir schwören. Wir werden alle noch viel erleben.«
Es gab keinen Grund für uns zu lachen. Den düsteren Prophezeiungen konnten wir durchaus Glauben schenken. Eine wie Justine wusste bestimmt mehr, als sie zugab.
Aber sie sagte nichts. Sie schraubte sich mit einer lässigen
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