1348 - Asche zu Asche
auf, der nur für Schwestern, Pfleger und Ärzte bestimmt war.
Nur Schwester Hillary befand sich dort. Sie saß an einem Tisch mit heller Resopalplatte. Auf ihr standen einige leere Kaffeetassen.
Die Frau selbst hatte ihren Platz an der Schmalseite gefunden. Dort hockte sie mit nach vorn gebeugtem Oberkörper. Die Stirn hatte sie auf ihre zusammengelegten Arme gedrückt.
Ob sie unser Eintreten gehört hatte, war nicht festzustellen. Jedenfalls hob sie den Kopf nicht an. Aber wir hörten sie leise schluchzen.
Dr. Haskell kannte sie besser als wir. Deshalb bedeutete ich ihm, sich um die Frau zu kümmern. Er trat zu ihr und sprach leise auf sie ein. Seine Worte waren gut gewählt, denn die Schwester hob schon nach kurzer Zeit den Kopf.
Wir schauten in das verweinte und verquollene Gesicht einer etwa vierzigjährigen Frau mit braunen Haaren, die einen leichten Rotschimmer hatten.
Der Arzt reichte ihr ein Taschentuch. Sie schnauzte sich die Nase, aber es würde noch etwas dauern, bis sie sprechen konnte, denn ihr Körper erbebte unter einem Schluchzen.
Dr. Haskell schloss die Tür eines Hängeschranks auf. Dort stand eine Flasche, die mit Whisky noch über die Hälfte gefüllt war.
»Manchmal wirkt ein Schluck Wunder.«
»Ja, das denke ich auch.«
Der Arzt füllte den Whisky in ein Glas und übergab es der Mitarbeiterin. Sie trank es leer.
Ob es ihr jetzt besser ging, wussten wir nicht. Zumindest warteten wir eine Weile. Da hatte sie sich wieder etwas gefangen, und Dr. Haskell fragte: »Fühlen Sie sich in der Lage, einige Fragen zu beantworten?«
Wir hörten ein Lachen. »Das muss ich ja wohl.«
»Sie müssen nichts«, sagte ich. »Aber es wäre uns schon sehr lieb, Schwester.«
Sie schaute mich und Suko aus immer noch geröteten Augen an.
Dann fragte sie: »Kann es sein, dass ich Sie hier schon mal gesehen habe?«
»Ja, das ist möglich.« Ich stellte Suko und mich vor und verschwieg auch unseren Beruf nicht.
Hillary nahm ihn kaum zur Kenntnis. Sie lehnte sich auf dem Stuhl zurück und wischte über ihr Gesicht. »Jetzt möchten Sie erfahren, was ich gesehen habe, nicht wahr?«
»Das wäre am besten.«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe eigentlich nichts gesehen«, erklärte sie mit leiser Stimme. »Als ich zu der Patientin kam, war fast schon alles vorbei.«
Sie berichtete uns, was sie gesehen und dann auch erlebt hatte, als sie ihre Hand auf den Kopf der Frau gelegt hatte. Das Einsacken des Schädels und das leise Rieseln der Asche oder des Sands waren für sie am schlimmsten gewesen.
»Ich weiß nicht«, flüsterte sie, »ich weiß wirklich nicht, wie so etwas geschehen konnte. Die Frau hat ausgesehen wie ein normaler Mensch. Und dann passiert so etwas! Das ist unmöglich und auch unfassbar für mich. Ich bekomme es nicht gebacken. So etwas gibt es nur in diesen schrecklichen Horrorfilmen.«
»Normalerweise schon«, sagte ich leise. »Aber Ausnahmen bestätigen die Regel. Und wenn Sie nach Gründen fragen, wieso das passieren konnte, dann müssen wir zunächst mal passen.«
»Aber es ist kein Traum gewesen. Ich habe es mit eigenen Augen gesehen!«
»Das nehmen wir Ihnen auch ab, Hillary. Ich denke nicht, dass sie sich etwas ausgedacht haben und den Sand an bestimmten Stellen verteilten. Es sind grausige Tatsachen, und in Ihnen haben wir eine Zeugin, die ich noch mal fragen möchte, ob sie nichts anderes gesehen hat als nur die vergehende Frau.«
»Es hielt sich wirklich niemand in der Nähe auf. Die anderen Kranken haben ebenfalls nichts mitbekommen. Die Patientin saß einfach zu weit abseits.«
Wir hatten unsere Erfahrungen mit Verhören sammeln können.
Für uns lag das Ergebnis auf der Hand. Wir würden aus Schwester Hillary nichts mehr herausbekommen. Und um die Lösung dieses komplizierten Falls mussten wir uns nicht hier kümmern. Da gab es einen anderen Ort, der unserer Meinung nach wichtiger war.
Dr. Haskeil wusste auch nichts mehr zu sagen. Er schaute betreten zu Boden. Dabei hielt er den Mund geschlossen, aber seine Lippen bewegten sich lautlos.
»Für uns gibt es hier nichts mehr zu tun«, sagte ich. »Deshalb werden wir Sie jetzt verlassen. Für uns läuft der Fall woanders weiter.«
»Ach, das wissen Sie?«
»Wir glauben zumindest, es zu wissen. Aber wir sind sicher, dass hier bei Ihnen alles wieder normal verlaufen wird.«
»Das wird sich zeigen.«
Die Schwester tat mir Leid. Sie hatte etwas gesehen, an dem sie wohl noch lange zu knabbern haben würde. Rückgängig
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