1348 - Asche zu Asche
stand.«
»Nicht schlecht gedacht«, murmelte ich. »Das würde bedeuten, dass es hier in London eben dieses Tor gibt.«
»Der Eingang zu einer Parallelwelt.« Glenda nickte mir zu. »Was dir ja durchaus bekannt sein dürfte.«
»Ja, wie auch dem Schwarzen Tod. Ich brauche nur daran zu denken, wie schnell er diese Grenzen überschreiten kann und sich plötzlich woanders befindet.«
»Denk daran, John, das hast du auch erlebt, und du bist nicht auf Monster getroffen, sondern auf eine Umgebung, die fast so aussah wie die Welt, aus der du gekommen bist.«
Ich wusste, was Glenda meinte. Zugleich fielen mir wieder die Worte des Dämons Namtar ein. Er hatte mir erklärt, dass es unsere Welt noch mal gibt. Mit all denjenigen Schwarzblütlern, die wir getötet hatten. Allerdings gab es auch dort Tore, aber die waren zumeist geschlossen. Nur nicht immer. Ich bezeichnete diese Welt als Wohnstätte der Hölle, denn so hatte dieser Begriff auch etwas Konkretes für mich bekommen. Und in diese Welt war auch der Schwarze Tod nach seiner Vernichtung hineingeschleudert worden und nicht in das Reich des Spuks, wie ich lange Zeit über geglaubt hatte.
Ja, das konnte die Erklärung sein. Erschaffen worden war diese Welt von den Ausgestoßenen, die sich dann die Seelen ihrer toten Freunde holten und sie nicht dem Spuk überließen.
Sie täuschten, sie gaukelten Menschen etwas vor, und ich dachte daran, dass ich es nur mit einer großen Hilfe geschafft hatte, dieses Reich zu verlassen.
Leider war es nicht die einzige Welt, die es neben der unsrigen gab. Ich kannte auch andere, in denen Engel oder Halbwesen existierten, die sich hin und wieder zeigten. Jedenfalls waren diese fremden Dimensionen ein Problem für uns.
»Hast du genug nachgedacht?«, fragte Glenda.
»Ich weiß es nicht.«
»Aber es bleibt bei eurem Vorsatz?«
Suko und ich schauten uns an. Wir nickten zugleich, was Glenda lächeln ließ.
Ich wusste, warum sie so reagierte. »Lass es lieber, Glenda. Auch wenn du scharf auf einen Vampirfilm bist, besorge dir lieber eine DVD. Das ist sicherer.«
»Mal schauen.«
Glenda hatte uns nicht überzeugt. Wir kannten ja ihren Eigensinn, doch wir hofften, dass sie in diesem Fall Vernunft zeigte.
Was mit Cindy Mora passiert war, sollte sich bei ihr nicht wiederholen.
»Und wann wollt ihr gehen?«, fragte sie.
Ich schaute aus dem Fenster. »Vor der Abendvorstellung sind wir bestimmt da…«
***
Wir hatten Shao in unser Vorhaben eingeweiht, und auch sie hatte ein bedenkliches Gesicht gezogen. Sie sprach davon, dass wir lieber noch mal nachdenken sollten, aber unser Entschluss stand fest. Daran änderte auch sie nichts.
Wir sahen beide nicht sehr glücklich aus, als wir uns auf den Weg machten. Der Tag hatte dem Kampf gegen die Dämmerung verloren, und über London legten sich die ersten langen Schatten, die sich immer mehr verdichten würden, um später von der Dunkelheit abgelöst zu werden.
Es war trotzdem hell. Das lag an den Lichtern, die unsere Fahrt in allen möglichen Farben begleiteten. In London um diese Zeit einen Parkplatz zu bekommen, war fast unmöglich. Zum Glück kannten wir einige Stellen, wo wir den Rover parken konnten. Zum Beispiel auf dem Hof eines Mannes, den Suko gut kannte und der zu seinen zahlreichen Vettern gehörte. China Town war zwar noch enger, aber man musste nur die Lücken kennen. So fand unser Rover schließlich auf einem Hof Platz, eingeklemmt zwischen den hellen Transportern einer Wäscherei, an der Sukos Bekannter beteiligt war, der sich glücklich schätzte, uns helfen zu dürfen.
Er wollte uns noch in sein Restaurant zum Essen einladen, doch das lehnten wir ab.
Stattdessen fragten wir ihn nach dem Kino.
»Oh, das Little Broadway! Ja, ich kenne es. Nein, ich kannte es. Es ist leider abgebrannt.«
»Brandstiftung, wie?«, fragte Suko.
Sein Vetter rang die Hände und lächelte etwas verlegen. »Das weiß niemand so recht. Es gab Gerüchte, doch die sind verstummt.«
»Und was erzählte man sich so?«
Der Chinese winkte ab. »Wie ich schon sagte, Suko. Es waren Gerüchte. Darauf sollte man nichts geben. Wirklich nicht.«
»Und warum ist da noch eine Ruine zu sehen?«, fragte ich.
»Es hat sich noch kein Investor gefunden. So einfach ist die Lösung.«
Ob das wirklich zutraf, wusste ich nicht. Man erzählte uns nicht immer alles.
Suko bedankte sich für die Aufmerksamkeit, und uns wurde versichert, dass wir unseren Rover so vorfinden würden, wie wir ihn abgestellt hatten.
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