1349 - Lilians tödlicher Blumenzauber
Traum vieler Menschen erfüllen konnte. In die Luft steigen und fliegen. Einfach in den Himmel hineingleiten und die normale Welt unter sich liegen sehen.
Herrlich, das tun zu können, aber auch nicht ohne Risiko, denn sie wollte auf keinen Fall von irgendwelchen Zeugen solch einer dieser Aktion gesehen werden. Ihr Geheimnis sollten nur wenige Menschen kennen. Bisher hatten sich Maxine und Carlotta daran gehalten.
Dem Vogelmädchen tat es gut, sich völlig normal unter den normalen Menschen zu bewegen. Da gab es niemand, der sie schief anschaute. Die Leute waren alle freundlich zu ihr. Einige kannten sie auch von den Besuchen in Maxines Praxis, in der Carlotta gern mithalf, und so fühlte sie sich auf diesem kalten Wochenmarkt wie zu Hause.
Wegen der Kälte war er ziemlich ausgedünnt. Die meisten Kaufleute befürchteten, dass ihnen die Ware erfror, und so gab es nur wenige Südfrüchte zu kaufen. Orangen und artverwandte Früchte musste sie deshalb im nahen Supermarkt holen.
Auf dem Markt nahm sie noch ein paar Kräuter mit und kaufte den mit Orangen gefüllten Beutel im Supermarkt. Sie erwarb noch einige Tafeln Schokolade und verließ den Laden.
Das Rad hatte sie in einen Ständer gestellt, die Einkäufe vom Markt allerdings mitgenommen. Als sie zu ihrem Rad zurückkehrte, um nach Hause zu fahren, sah sie den Typ an ihrem Rad stehen. Er machte nicht den Eindruck, als wollte er es sich nur anschauen. Sein Blick glitt mehrmals von einer Seite zur anderen, und so ging Carlotta davon aus, dass er es stehlen wollte.
Gesehen hatte er das Vogelmädchen noch nicht, das sich hinter seinem Rücken heranschlich. Carlotta blieb in einer kurzen Distanz zu ihm stehen und fragte: »Gefällt dir mein Bike?«
Der Typ fuhr zusammen und wirbelte herum. Ein von der Kälte gerötetes Gesicht schaute Carlotta an. Den Kopf schützte der Typ mit einer Wollmütze. Seine Lippen waren von der Kälte blau angelaufen, und in den Augen lag eine gewisse Starre.
»Was?«
»Ob dir mein Bike gefällt?«
»Ach, ist das deines?«
»Ja.« Carlotta legte ihre Einkäufe in den Korb. Sie wollte den Knaben loswerden und sagte zu ihm: »Lass mich jetzt fahren. Ich muss nach Hause.«
»Und wenn nicht?«
Carlotta seufzte. »Du wirst es tun, echt.«
Der Kerl, er war vielleicht zwei, drei Jahre älter als sie und sehr kräftig, grinste. »Ich wollte es mir nur mal ausleihen, verstehst du?«
»Ja, verstehe ich.«
»Wo ist dann das Problem?«
»Das bist du. Ich will nicht, dass du dir mein Bike ausleihst. So einfach ist das.«
»Wetten doch?«
Carlotta sah, dass der Kerl den Lenker an den beiden Haltegriffen umklammert hielt. Er hatte sich vor das Rad gestellt, und sein Grinsen wurde immer breiter.
Das Vogelmädchen seufzte und schüttelte den Kopf. Es ärgerte sie, dass sie ihre Kräfte einsetzen musste, aber es gab einfach keine andere Lösung. Um zu fliegen, brauchte sie Kraft, und die war bei ihr gegeben. Sie konnte mühelos Gewichte heben, bei denen andere Menschen aufgegeben hätten. Das wusste der Kerl nicht, der ihr Bike stehlen wollte. Er wunderte sich nur, dass Carlotta plötzlich seine beiden Handgelenke umfasste.
»He, was willst du?«
»Dass du loslässt!«
Er lachte.
Sekunden später lachte er nicht mehr. Da drückte Carlotta zu, und plötzlich verzerrte sich das Gesicht des Diebs. Sogar Tränen schimmerten in seinen Augen. Er ließ die Handgriffe los, fluchte, machte auf dem Absatz kehrt und rannte weg.
Carlotta verzichtete darauf, die Verfolgung aufzunehmen. Sie hoffte, dass diese Abfuhr dem Dieb eine Lehre gewesen war. Jetzt zog sie das Rad aus dem Ständer, löste das Schloss und stieg auf.
Mit dem Schloss hätte der Dieb auch Probleme bekommen. Wahrscheinlich hätte er das Rad einfach weggetragen.
Sie stieg in den Sattel und zog sich die warme rote Mütze tief über beide Ohren. An der Stirn berührte der Stoffrand fast die Augenbrauen. Für eine Tour mit dem Rad war es verdammt kalt, aber Carlotta hatte darauf bestanden.
So fuhr sie weg. Es war keine allzu weite Strecke bis zum Haus der Tierärztin, aber es ging etwas bergan. Der Markt wurde in der Nähe des Hafens abgehalten, und hier gab es immer den frischesten Fisch.
Sie konnte dem normalen Weg folgen, um in den Vorort zu gelangen, in dem sie wohnte, es gab aber auch eine Abkürzung durch den Busch. So wurde der Wald von den Einheimischen genannt.
Im Winter war er kalt und leer. Die wenigen Wege hatte der Frost hart werden lassen, aber das kümmerte Carlotta
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