1349 - Lilians tödlicher Blumenzauber
schaute auf ein wahres Blütenmeer aus Lilien, war davon wirklich beeindruckt, und mir fielen erst später die schmalen Wege auf, die dieses Meer durchzogen, sodass ich dabei an einen ungewöhnlichen Friedhof erinnert wurde.
Er war weit. Er war weiß. Er gab ein helles Leuchten ab, und er besaß auf mich eine magische Anziehungskraft.
Wo war ich jetzt?
Nicht mehr in der Kälte. Ein warmer Wind umfächelte mich. Ich nahm auch den Geruch der Lilien wahr. Nur bereitete er mir jetzt keine Probleme.
Blumen. Wege. Fast wie ein Schachbrettmuster angelegt. Das alles nahm meine Sicht ein. Ich veränderte meine Blickrichtung und schaute gegen den Himmel.
Auch der hatte nichts mehr mit dem zu tun, den ich hinter mir gelassen hatte. Er war weit, er war auch recht hoch, und es war einfach die Farbe, die mich störte.
Das waren die berühmten Schuppen, die mir plötzlich von den Augen fielen. Ich hätte mir fast gegen die Stirn geschlagen. Warum, zum Teufel, war mir das nicht schon früher aufgefallen?
Blüten, Blumen, ein grüner Himmel und eine Luft, die leicht grünlich war.
Das waren genau die Hinweise oder sogar die Wahrheiten, die auf ein bestimmtes Reich hindeuteten, auf Aibon, das janusköpfige Paradies der Druiden…
***
In mir breitete sich ein seltsames Gefühl aus, denn auf irgendeine Art und Weise war ich erleichtert. Zwar freute ich mich nicht darüber, in dieser auch märchen- und legendenhaften Welt zu sein, aber sie war mir zumindest nicht neu, denn oft genug hatte ich ihr schon einen Besuch abgestattet, ob freiwillig oder nicht.
Zumindest hielt ich mich in dem Teil der Welt auf, in dem es noch blühte und grünte. Ich kannte auch die andere Hälfte, in der Guywano, der Druidenherrscher, regierte. Ein schrecklicher Dämon, der ein grauenhaftes Zepter über andere Dämonen und deren Getreue schwang, und der immer wieder versuchte, beide Hälften dieses Reiches zu beherrschen.
Als ich nach unten schaute, sah ich, dass ich tatsächlich mitten auf dem Lilienfeld gelandet war. Ich stand zwischen den Blumen und fühlte mich wie verloren.
Sie wuchsen überall. Rechts und links und auch vor und hinter mir. Aber es gab nur sie und nicht Lilian Wood, die ich beinahe schon schmerzlich vermisste.
Hielt sie sich überhaupt noch in der Nähe auf?
Ich musste sie finden, denn nur sie konnte mir die Lösung bringen.
Bevor ich mich in Bewegung setzte, schaute ich noch mal zurück.
Es konnte ja sein, dass ich den Teil meiner Welt sah, aus dem ich gekommen war. Aber da war nichts zu sehen. Nur der weiße Teppich der Lilien, und über ihn ging ich nach vorn.
Es machte mir nichts aus, dass ich einige Blumen zertrat. Es ging nicht anders, weil die Wege viel zu schmal waren und die Blumen über die Ränder hinwegwuchsen.
Meine Sohlen drückten sie zusammen. Es hätte mich nicht mal gewundert, wenn ich irgendwelche Schreie gehört hätte, aber so etwas blieb aus.
Wie lange es dauern würde, bis ich das Lilienfeld durchwandert hatte, konnte ich nicht ausrechnen. Es schien sich bis zum Horizont hinzuziehen, und über ihm lag der leicht grünlich schimmernde Himmel.
Mein Gang endete sehr schnell. Durch die dichten Blumen hatte ich nichts anderes gesehen, jetzt aber blieb ich stehen, weil mein Blick auf etwas gefallen war, mit dem ich nicht gerechnet hätte.
Vor mir stand ein Sarg aus Glas.
Er war offen.
Und in ihm lag Lilian Wood!
***
Als ich sie so sah, wurde ich wieder an das Märchen von Schneewittchen erinnert. Das schwarze Haar, die helle Kleidung, aber im Gegensatz zu der Märchenfigur war sie nicht tot, sondern lebte, denn sie hielt die Augen offen.
Mein Herz schlug schneller. Ich war wirklich überrascht worden.
Statt sich zu verkleinern, nahm das Rätsel noch zu. Ich hatte das Gefühl, dass mein Blut kälter wurde, zugleich veränderte sich auch die Luft. Es wehte wieder dieser andere Geruch auf mich zu, doch von ihm ließ ich mich jetzt nicht ablenken.
Ich konzentrierte mich auf Lilian, die auch weiterhin die Augen offen hielt. Es konnte sogar sein, dass sie auf mich gewartet hatte.
Als ich leise ihren Namen sprach, reagierte sie und erhob sich tatsächlich mit langsamen und mühevollen Bewegungen.
Sie kroch aus ihrem gläsernen Sarg und tat dies so selbstverständlich, als wäre ich als Zeuge gar nicht vorhanden. Dann drehte sie sich zu mir hin.
»Du bist gekommen.«
»Ja.«
Sie flüsterte und schaute mich dabei erstaunt an. »Was willst du hier? Warum…«
»Ich möchte die Wahrheit über dich
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