135 - Madame La Roshs Marterhaus
ebenso wie die Fenster und Türen, und die still beobachtende Gestalt
am Fenster im ersten Stock war ihm auch nicht entgangen.
Der Mann verschaffte sich einen Eindruck von dem, was
sich im allgemeinen hier tagsüber und auch nachts ereignete. Er mußte das alles
sehr genau wissen, denn er war nicht mehr bereit, die Sache länger auf sich
beruhen zu lassen.
Mit seinem Kumpan war ein Versuch fehlgeschlagen. Nun
brannte ihm die Zeit auf den Fingernägeln. Er mußte an die Aufzeichnungen, an
die Gifte, die Barry La Rosh im Lauf seines Lebens entwickelt hatte,
herankommen.
Nicht nur dieses Land sollte das Geheimnis der Gifte
beherrschen, mit denen man ganze Städte lautlos im Fall eines Krieges ausrotten
konnte.
Es gab eine andere Macht, die sehr interessiert daran
war, die gleichen Giftwaffen zu besitzen.
Für diese Macht arbeitete Guy Nicholson.
Er hatte Vorschuß für die Arbeit bekommen. Kein
geringer Batzen.
Der Rest floß ihm zu, sobald er Unterlagen oder
Giftzusammensetzungen lieferte.
Er kannte keine Skrupel.
Im Haus, das wußte er nun, lebten außer Madame nur
noch die beiden Dienstmädchen. Der Gärtner war nicht mehr mit von der Partie.
Was ihn wunderte war die Tatsache, daß es heute nicht
von Polizisten gewimmelt hatte. Madame schien von den Morden offenbar niemand
in Kenntnis gesetzt zu haben.
Das war seltsam...
Nicht weniger seltsam war die Ankunft des Arbeiters,
der mit dem Kastenwagen einer Installationsfirma am späten Nachmittag hier
eingetroffen war.
Ein Dienstmädchen hatte den Wagen später in eine
Garage gefahren und die abgeschlossen.
Der Mann war seitdem verschollen.
Es gab ein Geheimnis um Madame La Rosh. Sie wollte
nicht unnötig auf sich aufmerksam, machen.
Das konnte unter Umständen vorteilhaft für sein
eigenes Vorhaben sein...
*
Der Morgen graute.
In Resh-Village ging die Sonne hinter den Bergen auf.
Dorit Brownen stand am Fenster ihrer Dusche und
blickte nach draußen. Ein herrlicher Morgen. Kühl und klar. Eine wunderbare
Luft. Und die Frau fand, daß es weniger kalt war.
Dorit Brownen lebte seit vierzehn Jahrenin der
kleinen Stadt, in der rund zehntausend Menschen zu Hause waren.
Die Sechsundvierzigjährige war unverheiratet und lebte
allein. Dorit Brownen hatte ihre Arbeit und ihr Leben in den Dienst der
Allgemeinheit gestellt. Sie war Altenpflegerin und Kinderschwester in einer
Person.
Schon früh morgens war sie auf den Beinen, um alte,
kranke Leute aufzusuchen, ihnen das Frühstück zu bereiten und die Wohnung in
Ordnung zu bringen. Da es in Resh-Village wenig Industrie gab, waren die
meisten Männer weit auswärts tätig und kamen oft erst zum Wochenende heim. Wenn
in der Zwischenzeit eine Frau und Mutter krank wurde, dann sah Dorit Brownen
auch hier nach dem rechten.
Sie war den ganzen Tag auf den Beinen. Wenn mal
weniger Arbeit anfiel, dann vermittelte das ihr gleich das Gefühl, Freizeit zu
haben.
Ein solcher Tag war heute.
Freitag!
Sie mußte an diesem Vormittag nur zwei alte Frauen und
einen Mann besuchen. Bei dem letzteren brauchte sie sich nicht mal aufzuhalten.
Der Patient hatte Besuch von seiner Tochter aus Kalifornien. Die wollte drei
Wochen da bleiben. Der Alte freute sich wie ein König und fühlte sich gleich
weniger krank. Er war aufgekratzt und wollte unbedingt aus dem Bett.
Gegen elf Uhr war Dorit Brownen schon wieder zu Hause.
Sie hatte aus dem Lebensmittelladen in der Nachbarschaft ein paar Besorgungen
für sich gemacht und kam nun mit einer prall gefüllten Einkaufstasche nach
Hause.
Sie stellte die Tasche an der Tür ab und schloß erst
den Briefkasten auf, in dem die Morgenzeitung und einige Briefe steckten.
Es befanden sich hauptsächlich Reklameschriften
darunter und ein länglicher Umschlag, der in Blomington abgestempelt war.
Wer schrieb ihr aus Blomington? Sie hatte dort weder
Freunde noch Verwandte noch Bekannte.
Absender war eine Frau namens Elvira La Rosh.
Dorit Brownen öffnete noch an der Tür stehend den
Brief.
Der Name Elvira La Rosh war ihr nicht unbekannt. Über
Mrs. La Rosh standen immer wieder irgendwelche Dinge in Magazinen und in deren
Klatschspalten.
Was wollte Elvira La Rosh ausgerechnet von ihr? Als
sie den Brief entfaltete, der auf einem besonders weichen und weißen Papier
geschrieben war, erfuhr sie es.
»Liebe Missis Brownen, Sie werden sich wundern, von
mir einen Brief zu erhalten.
Es ist Ihnen sicher nicht bekannt, daß in meinem Haus
in unregelmäßigen Abständen immer wieder
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