1352 - Beute für den Sensenmann
einem Ruck hoch.
Wir schauten auf die Leiche.
Godwin de Salier holte zischend Luft. »Ja«, sagte er dann, »ja…«
Und er hatte Recht. Die glatzköpfige Leiche im Sarg musste Orry sein, der Mörder des Hehlers Jean Brune…
***
Es wurde plötzlich sehr still um uns herum. Jeder, der hier stand, hatte Respekt vor dem Toten. Nur die wenigsten schauten noch hin, auch Penn hatte sich abgwandt.
Wir aber traten näher an den Sarg heran, denn es interessierte uns, wie Orry ums Leben gekommen war.
Zunächst fiel uns die verdrehte Kopfhaltung auf. Dann sahen wir auch die Würgemale am Hals, die sich dort schwach abzeichneten.
Man schien ihn doppelt getötet zu haben. Zum einen erwürgt, zum anderen hatte man auf Nummer sicher gehen wollen.
»Wer kann das getan haben?«, murmelte ich.
Penn hatte mich trotzdem gehört. »Es war keiner aus unserem Ort hier. Verstehen Sie?«
Ich räusperte mich. »Was macht Sie denn da so sicher?«
»Das würde niemand von uns tun. Da muss jemand anderer gekommen sein, der ihn getötet hat.«
»Gab es da nicht noch eine Partnerin?«, fragte Godwin.
»Ja.«
»Und wo finden wir die?«
»Nicht im Haus. Sie hat sich bei Rose Dunn verkrochen.« Er deutet über die Schulter. »Sie werden sie finden, wenn Sie dort hinten in die Kneipe gehen.«
Ich schaute rüber. Das Gasthaus trug den Namen Land’s End. Eine sehr »ungewöhnliche« Bezeichnung. Ich fragte mich, was hier noch alles so hieß.
»Sie können den Sarg wieder schließen und ihn wegschaffen. Wir werden mal mit Orrys Partnerin sprechen. Oder haben Sie das schon getan?«
»Nein, ich wollte das, aber Rose hat gesagt, dass sie dazu nicht in der Lage ist.«
»Danke.«
Hier war alles gesagt worden, und so konnten wir uns auf den Weg machen. Ich verstand das Verhalten der Männer uns Fremden gegenüber jetzt auch besser. Es war eben nicht jedermanns Sache, beim Transport einer Leiche angesprochen zu werden. Zumal wenn es sich bei diesen Menschen um einen Fremden handelte.
Eine Frage hatte ich trotzdem noch. Ich wandte mich damit an Arthur Penn. »Jetzt, wo sie die Leiche eingesargt haben, haben Sie praktisch die Spuren an der Fundstelle verwischt. Haben Sie eigentlich meine Kollegen schon eingeschaltet?«
Der Mann bekam einen roten Kopf.
»Also nicht«, sagte ich.
»Wir haben nicht daran gedacht.« Er zuckte mit den Schultern. »Es gibt bei uns hier in Cove keinen Polizeiposten. Wir sind praktisch vergessen worden, wenn man es genau nimmt. Man hat natürlich davon gesprochen, mal einen einzurichten, wo der Tourismus sich immer mehr verstärkt, doch das ist Zukunftsmusik. Ob der Posten bei uns eingerichtet wird oder in einem anderen Ort, darüber muss diskutiert werden.«
»Danke.«
Penn zeigte sich leicht verunsichert. »Soll ich denn ihren Kollegen Bescheid geben?«
Ich dachte nicht lange über die Antwort nach. »Nein, Mr. Penn, lassen Sie das mal. Meine Kollegen und ich sind ja hier. Es ist wirklich besser, wenn wir Nachforschungen anstellen, und ich nehme an, dass wir Sie noch brauchen werden.«
Er blickte mich offen an. »Sagen Sie ehrlich, Mr. Sinclair, es ist doch kein Zufall, dass Sie gerade jetzt hier erschienen sind – oder?«
»Das ist es nicht.«
»Dann waren Sie hinter dem Paar her?«
»Nicht direkt. Aber die beiden sind die Auslöser. Es gibt noch ein anderes Problem. Es kann sein, dass wir mit Ihnen darüber noch reden werden. Nach der Aussage dieser Lilian Dexter.«
»Gut, dann warte ich. Erst werden wir den Toten in das Leichenhaus schaffen.«
»Tun Sie das.«
Suko und Godwin de Salier hatten vor dem Gasthaus auf mich gewartet. Das Gesicht des Templers zeigte ein Lächeln. Er trieb seine Hände. »Ich habe es irgendwie gewusst«, verkündete er, »das war genau die richtige Spur.«
»Sieht so aus.«
Suko war bereits an der Tür. Er stieß sie auf und betrat als Erster den Raum, aus dem uns Wärme entgegenschlug.
In der Gaststätte war es still wie in einer Kirche. Niemand saß von einem der Tische oder stand vor der Theke. Dafür sahen wir hinten, eine jüngere, ziemlich stabile Frau, die uns misstrauisch entgegenschaute, weil wir hier fremd waren.
Natürlich suchten wir die Person mit den roten Haaren. Die bekamen wir nicht zu Gesicht.
»Was wollen Sie?«
Die recht unfreundliche Begrüßung überhörten wir. Wir wollten die junge Frau auch nicht in Bedrängnis bringen. Ihr forsches Auftreten war nur gespielt. Hinter dieser Fassade verbarg sie ihre wahre Gefühlswelt, und dort lag
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