1352 - Beute für den Sensenmann
ihrer Stelle mitnimmst? Wir beide können gehen und…«
»Nein, ich will sie. Sie gehört mir. Ich habe zu lange warten müssen. Jetzt bin ich wieder da.«
»Du hättest eigentlich ertrinken müssen, nicht wahr?«
»Ich bin gerettet worden.«
»Durch wen?«
»Die Hölle hat mich gerettet. Die Hölle und der Teufel! Das könnt ihr mir glauben. Ich bin ihr Diener. Ich bewache den Schatz. Niemand soll an ihn herankommen, versteht ihr? Niemand. Er gehört mir, und das wird auch so bleiben.«
»Was hast du mit ihr vor?«, fragte Suko leise.
Eine Antwort bekam er darauf nicht.
Navarro wandte sich wieder an seine menschliche Beute. »Stehe auf!«
Lilian hatte den Befehl gehört. Sie kam ihm nur nicht nach, denn sie fing an zu zittern.
»Ruhig«, flüsterte ihr Suko zu. »Du musst jetzt vor allen Dingen die Ruhe bewahren. Tu genau das, was er dir befohlen hat. Steh auf, und dann wirst du sehen, wie es weitergeht.«
»Ich kann nicht!«, jammerte sie. »Es ist alles so schrecklich.«
»Versuch es trotzdem, Lilian!«
»Und du? Was ist mit dir? Was hast du vor? Du kannst doch nicht hin sitzen bleiben und…«
»Bitte steh auf!«
Lilian schielte noch mal zu Suko hin. Sie sah sein sehr ernstes Gesicht. Jetzt wurde ihr bewusst, dass sie es tun musste.
Lilian stand auf. Sie kam sich vor wie eine Hülle, aus der alles Menschliche entflohen war. Oder selbst wie ein Zombie.
Ihr Blick war ins Leere gerichtet. Sie wollte auch die Klinge nicht sehen, die ihren Bewegungen gefolgt war und dabei noch immer dicht vor der Kehle schwebte, auf der die Blutperle mittlerweile zu einem verschmierten Blutfleck geworden war.
»Du wirst mitkommen und…«
Suko bewegt sich ebenfalls. Er wollte von seinem Stuhl hoch, und genau das sah Navarro. Es gefiel ihm ganz und gar nicht. Plötzlich bewegte er seine Waffe, und sie war so schnell, dass Suko selbst davon überrascht wurde.
Präzise und hart schlug er mit dem Degen zu. Suko hatte keine Chance mehr, auszuweichen. Der Treffer erwischte seinen Kopf. Er spürte den Schmerz und taumelte zur Seite.
Nur wollte er nicht aufgeben, auch wenn plötzlich Blut in seine Augen rann und dafür sorgte, dass er alles nur verschwommen sah oder gar nichts mehr.
Der Kapitän drosch wieder zu!
Suko war zu stark sehbehindert, als dass er noch etwas hätte unternehmen können. Er sah die Waffe nicht mal, die schräg auf ihn zuschnellte und dann seinen Kopf erwischte.
Wenig später hörte er ein Poltern. Aber auch ein Klirren, das auftrat, als Geschirr zerbrach. Es war für ihn ein völliges Durcheinander. Er fand sich nicht mehr zurecht, aber erwusste, dass er für die Geräusche verantwortlich war.
Er fiel über Stühle, schob sie zur Seite und landete erst dann auf dem Boden. Auch hier stieß er sich noch mal den Kopf. Er wurde nicht bewusstlos, nur die Geräusche nahm er wahr, als wären sie meilenweit von ihm entfernt.
Verloren!, dachte er. Du hast verloren und dich tatsächlich überrumpeln lassen…
***
Es wäre besser gewesen, wenn sie ihre Not und Angst herausgeschrien hätte, doch das traute sich Lilian Dexter nicht, und so erstickte sie fast an ihren Gefühlen.
Hilflos musste sie mit ansehen, wie sich dieser verfluchte Kapitän benahm. Er war der Star der Szene. Er beherrschte alles, und er reagierte auch schneller als die normalen Menschen, weil ihm nichts von seinem Plan abhalten konnte.
Lilian hätte noch eine Chance gehabt, als sich Navarro mit Suko beschäftigte. Da war sie nicht mehr unmittelbar bedroht worden, und sie hätte vielleicht fliehen können.
Es war ihr nicht mehr gelungen. Die andere Seite war schneller und stärker gewesen.
Sie sah Suko taumeln und dann fallen. Er prallte auf die Sitzflächen zweier Stühle, schob sie zur Seite, stieß auch gegen den Tisch, von dem das Teegeschirr rutschte und am Boden zerbrach.
Dann hatte Navarro gewonnen!
Er bewegt sich rasch. Er schlug noch einmal zu und kümmerte sich nicht mehr um den Polizisten. Jetzt war wieder Lilian Dexter an der Reihe, und sie spürte die Kälte der Stahlklinge, die sich gegen ihren Nacken legte und sie schaudern ließ.
Aber sie schauderte nicht nur deswegen. Sie sah ihr Schicksal dicht vor Augen. Es war für sie grauenhaft. Sie musste gehorchen und erlebte wieder, wie schnell der Kapitän seinen verdammten Degen bewegte.
Für einen winzigen Moment erschien die Klinge vor ihren Augen.
Dann rutschte sie nach unten und befand sich plötzlich wieder an ihre Kehle.
Navarro war dicht bei ihr. Und er
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