1354 - Höllenflucht
Stelle mit den wenigen Bäumen. Vor ihnen schimmerte die Fläche des kleinen Sees. Am Himmel kämpfte das letzte Licht des Tages vergeblich gegen den Einbruch der Nacht an. Es war nur noch ein schmaler Streifen zu sehen, und auch der würde bald verschwunden sein.
Er drehte sich wieder um – und hielt mitten in der Bewegung inne.
Etwas hatte ihn gestört. Als er genauer hinschaute, erkannte er auch den Grund. Nahe der Ruine bewegte sich etwas Dunkles. Es war aus dem Schatten hervorgetreten, und der Templer brauchte ein paar Sekunden, um zu erkennen, dass es sich um einen Mann handelte.
Ihm war sofort klar, dass er ihn nicht eben zu seinen Freunden zählen konnte. Der Mann bewegte sich in seine Richtung, doch er wäre nicht direkt auf Godwin zugekommen, sondern einige Meter entfernt an ihm vorbeigegangen.
Was hatte der Typ vor?
Es war für Godwin zu spät, noch zum Van zurückzugehen. So blieb er stehen und schaute zu, wie der andere Mann seinen Weg fortsetzte, um den Ford zu erreichen. Möglicherweise wollte er etwas aus dem Fahrzeug holen oder es nur kontrollieren.
De Salier tat nichts. Er setzte darauf, dass man auch ihn nicht wahrnahm. Tatsächlich ging der Mann zwar in seine Richtung, aber er kam nicht auf ihn zu, sondern sah als Ziel nur das Auto, neben dem er stehen blieb. Er war jetzt schlechter zu erkennen, weil der Wagen einen Schatten auf ihn warf.
Godwin überlegte in Windeseile. War er gesehen worden oder nicht?
Als Optimist entschied er sich für die zweite Möglichkeit. Zudem war seine Neugierde erwacht. Mit schnellen, aber möglichst leisen Schritten lief er ebenfalls auf den Ford zu. Er setzte darauf, dass er nicht so schnell gesehen wurde, und hatte Glück.
Er war plötzlich bei dieser Gestalt und sagte mit leiser Stimme:
»Guten Abend!«
Der Mann schwieg. Er zeigt auch keinerlei Überraschung, und genau das wunderte Godwin. Er selbst wäre zusammengeschreckt, aber der andere war es nicht. Konnte es sein, dass er damit gerechnet hatte, aufzufallen?
Godwin wollte es nicht auf die Spitze treiben, deshalb ließ er seine Waffe stecken. Er wartete darauf, dass der Mann etwas tat, der sich zunächst nicht bewegte. Erst nach einer Weile drehte er sich langsam um. So hatte Godwin Zeit genug, ihn sich genauer anzusehen.
Es war ihm schon längst aufgefallen, dass er einen langen Mantel oder eine Kutte trug. Genau würde er das erst sehen, wenn sie sich direkt gegenüberstanden.
Zwei Augenpaare schauten sich an.
Godwin spürte einen Stich in der Herzgegend. Er verkrampfte sich innerlich, und seine Haut am Rücken spannte sich.
Der Mann sagte nichts. Er schaute den Templer nur bewegungslos an. Sein Gesicht zeigte nicht die geringste Regung, aber die Haut war ungewöhnlich bleich. An verschiedenen Stellen sah sie sogar schattig aus.
Für den Templer stand fest, dass er es nicht mit einem normalen Menschen zu tun hatte. Wenn überhaupt ein Mensch, dann stand er unter einem anderen Bann und hatte sein eigenes Ich verloren.
Vieles schoss ihm durch den Kopf, aber es gab nichts, was Godwin eine Erklärung geben konnte. Sein Herz schlug schneller. Er hörte sich selbst schnaufend atmen, und er suchte nach einer Möglichkeit, den Fremden anzusprechen.
Der Mann hob seine Arme an. Die langen Ärmel glitten zurück, und so gelang dem Templer ein Blick auf die Hände. Sie waren hell und bleich. Gekrümmte Finger, fast wie Knochenklauen, und dabei sehr starr und nicht so weich und labberig wie die von Hühnern.
Es waren rasche Eindrücke, die Godwin aufnehmen und verarbeiten musste. Zu diesem zweiten Teil kam es nicht mehr, denn hinter sich hörte er ein Geräusch.
Die Warnung schoss wie ein Blitz durch seinen Kopf. Er hatte das Gefühl, in seiner Nähe würde etwas explodieren, tatsächlich war es sein Kopf, der von einem harten Gegenstand schwer getroffen worden war. Noch im gleichen Moment blitzte etwas auf, und dann merkte er, dass es tatsächlich einen Teil des berühmten Sternenhimmels gab, der vor seinen Augen auseinander flog.
Das Gesicht des vor ihm stehenden Mannes zerschmolz, als würde Godwins Körper eine Hitze ausstrahlen, die direkt das Gesicht erwischte und es auseinander fließen ließ.
Er schwankte. Der Ford verwandelte sich in ein gewaltiges Gebirge, das auch nicht ruhig blieb. Es stürzte ihm entgegen, und der Templer bekam noch einen harten Schlag gegen seine Stirn.
Dass er zu Boden fiel, bekam er nur am Rande mit. Zum Glück landete er auf dem weichen Rasen, der ihn abfing wie
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