136 - Im Schloss der Daa'muren
war.
»Es hat keinen Zweck«, sagte er zu Mamm Kalina. »Wir werden gleich aufbrechen müssen, um diese verdammten Lupas zu jagen!«
»Das kann doch bis morgen warten«, hörte Ann.
Nicu war seinem Vater gefolgt. Er griff nach dem Bottich und zwinkerte Ann und seiner Schwester zu.
»Los, rein mit euch!«, raunte er.
»Danke!«, raunte Ann zurück. Es war angenehm, das Gewicht los zu werden – auch wenn es bedeutete, dass man wieder ins Haus musste, wo inzwischen ziemlich gestritten wurde.
Als die Landschaft aus Asche und verkohlten Holzstücken an Ann vorbei zog, weil Nicu sich mit dem Bottich weg drehte, fiel ihr ein schmales Scheit auf. Es ragte in die Höhe und war am oberen Ende unversehrt. Hastig griff Ann zu. Man wusste nie, wofür man es noch gebrauchen konnte.
In der Küche hatte Mamm Kalina inzwischen ein paar Holzschüsseln auf den Tisch gestellt, wo Boogan saß und missmutig vor sich hin starrte. Als Ann und Jana herein kamen, war sie gerade dabei, den Kamin zu befeuern. Man sah nur ihren dicken Po. Und man hörte sie schimpfen.
»Du wolltest heute zuhause bleiben, Boogan! Du hast versprochen, heute zuhause zu bleiben!«
»Bei allen Göttern! Begreif es doch endlich, Weib: Hier treibt sich ein Rudel Lupas herum! Wenn wir sie nicht erledigen, machen sie uns das Wild scheu! Dann müssen wir noch weiter wandern als bisher, um Nahrung zu finden. Wie soll das gehen?«
»Weiß ich nicht. Frag deinen Siil!«
»Er ist nicht mein Siil, und ich frage ihn nicht!«
»Verschieb die Jagd auf morgen, Boogan!«
»Nein!«
Anns Kopf war zwischen Tisch und Feuerstelle hin und her geruckt. Ihr war schon fast schwindelig, und sie zuckte heftig zusammen, als Boogan jetzt mit der Faust auf die Platte schlug.
Eine Holzschüssel sprang in die Höhe.
»Der Schnee da draußen liegt heute, Kalina! Deshalb werden wir heute auf die Jagd gehen und nicht morgen! Ich habe keine Lust, morgen mühsam nach den Lupas zu suchen, wenn ich heute bequem ihre Spur verfolgen kann.«
»Auch gut«, sagte Mamm Kalina, und Ann war erstaunt, weil sie plötzlich überhaupt nicht mehr wütend zu sein schien.
»Dann gibt es eben heute nichts zu essen.«
In dem Moment ging die hintere Tür auf und der Scherge trat ein. Boogan und die Jungen standen auf und verbeugten sich vor ihm, aber Mamm Kalina dachte nicht daran. Vielleicht war sie doch noch wütend.
Der Scherge hatte keinen Namen. Er trug braune Ledersachen, die ständig knarzten, und er sprach kein einziges Wort. Trotzdem war es, als ob die Erwachsenen immer wüssten, was er dachte. Als ob sie seine Gedanken lesen könnten.
Er setzte sich an den leeren Tisch, und Boogan sagte zu ihm:
»Doch, natürlich! Das Frühstück kommt sofort!«
Dabei hatte der Scherge gar nichts gefragt. Ann fand das unheimlich.
Es gab noch einen zweiten Schergen. Die Beiden sahen genau gleich aus, deshalb hatte Ann es zuerst gar nicht bemerkt. Sie teilten sich ihre Arbeit: Einer ging immer mit Boogan und den Jungen auf die Jagd. Aber er jagte gar nichts, hatte Nicu gesagt. Er passte nur auf. Der andere bewachte das Geheimnis der Löcherburg.
Mamm Kalina stellte Brot und Schafskäse auf den Tisch.
Dabei fragte sie Boogan, ob wenigstens Nicu hier bleiben könnte, und als er »Nein« sagte, breitete sie ihre Hände aus.
»Dann wird heute nicht gekocht«, sagte sie. »Ich kann die Wisaau nicht alleine häuten, die ihr gestern erlegt habt. Und die Mädchen sind zu klein für diese Arbeit!« Mamm Kalina setzte sich. »Also wenn ihr am Abend eine warme Mahlzeit haben wollt, dann muss der zweite Scherge herunter kommen und mir helfen.«
Anns Augen wurden groß. Sie hielt die Luft an vor Spannung, denn Boogan schien tatsächlich darüber nachzudenken. Und gerade als sie glaubte zu ersticken, nickte er. Ann atmete laut aus. Alle sahen sie an, und so tat sie schnell, als müsste sie husten. Heimlich warf sie Jana einen Blick zu.
Der Weg ist frei! Wir gehen in den Südturm!, sollte das heißen. Aber Ann war nicht sicher, ob Jana sie verstanden hatte.
***
»Hörst du das?« Jenny hielt Matt am Arm zurück und lauschte stirnrunzelnd. Es knackte im Gesträuch – ziemlich regelmäßig –, und aus nicht allzu weiter Ferne schollen helle, abgehackte Schreie her.
»Das sind Lupas«, sagte Aruula im Vorbeigehen. »Junge Lupas. Welpen.«
Jenny schüttelte den Kopf. »Das meinte ich nicht! Da ist noch ein anderes Geräusch! Es klingt, als ob jemand neben uns her schleicht.«
Die Gefährten befanden sich mitten
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