136 - Im Schloss der Daa'muren
sah. Eher fein, irgendwie. Und er rührte sich nicht.
Der Junge stand nur da und guckte.
»Hallo!«, sagte Ann mal zur Probe.
Jetzt traute sich auch Jana näher heran, und der Junge guckte abwechselnd von ihr zu Ann. Ohne den Kopf zu bewegen. Ohne überhaupt was zu bewegen außer den Augen.
Und das war komisch, richtiges Wort hin oder her.
Ann hielt den Atem an, weil es mucksmäuschenstill geworden war. Sie dachte schon, sie würde gleich ersticken, aber da sagte der Junge endlich was.
»Hallo.«
Es war nicht viel, doch der Anfang war gemacht. Ann atmete auf. Sie lächelte den fremden Jungen an und tippte sich vor die Brust.
»Ich bin Ann«, sagte sie. »Und das«, sie zeigte auf ihre Freundin, »ist Jana! Hast du auch einen Namen?«
»Duu’da.« Der Junge tippte sich an die Brust, genau wie Ann. »Ich-bin-Duu’da.«
Er hatte ganz langsam gesprochen, als wäre er nicht sicher, dass man ihn verstand. Und er machte ein ganz ernstes Gesicht dazu – wie einer, der sagt: »Das Mähnenschaf ist tot!«
Ann und Jana sahen sich an. Eigentlich mussten sie furchtbar lachen, aber das wäre nicht nett gewesen, denn vielleicht war der Junge ja krank und konnte nicht anders. Also hielt sich Jana schnell die Hände vor den Mund, und Ann überlegte, was sie erzählen konnte.
»Duu’da ist ein komischer Name«, sagte sie dann. »Hat deine Mom ihn dir gegeben?«
Der Junge schüttelte den Kopf. »Nein. Das war Grao’sil’aana.«
»Wer ist das?«, fragte Ann.
»Mein Hüter.« Duu’da drehte sich der Wand zu und knispelte mit dem Finger an einer Ritze in den Steinen herum.
»Er sagt immer: ›Duu’da, komm her!‹, oder ›Duu’da, lass das!‹«
»Hast du noch Geschwister?«, wollte Jana wissen.
»Nein.«
»Du bist ganz alleine?« Ann war erschrocken, aber Duu’da erklärte es ihr.
»Ich bin nie allein! Grao’sil’aana ist immer da, und außerdem besucht mich ja auch der große Primärrass… der große Junge.« Duu’da nickte nachdenklich. »Er heißt Arpad, und er kommt jeden Abend herauf, damit ich etwas lerne.«
»Von Arpad?« Jana brauchte plötzlich nicht mehr lachen.
Ihre Augen waren total groß, und ihr Mund blieb offen, so staunte sie. »Was lernst du denn von dem?«
»Verhaltensmuster«, sagte Duu’da so ruhig, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt. Kein Wunder, dass Jana beleidigt war und ihren Arm um Ann legte.
»So ein Wort gibt es gar nicht!«, wisperte sie ihr ins Ohr.
Auch Ann war erstaunt. »Arpad besucht dich? Darf der das?«
»Es wurde ihm gestattet«, sagte Duu’da nur. Dann wurde er ganz still und sah Ann an – immer nur Ann –, und es war, als wollte er noch etwas sagen und sich nicht trauen. Oder als würden ihm keine Worte mehr einfallen. Aber vielleicht fand er es auch einfach doof, mit Mädchen zu spielen. Ann nickte.
Ja, das konnte sein.
»Mir ist langweilig!«, maulte Jana und stieg schon mal eine Stufe herunter. »Komm, wir gehen wieder!«
Ann zögerte. Sie wollte doch das Geheimnis vom Südturm herausfinden, dafür war sie extra hergekommen! Und Duu’da konnte das Geheimnis nicht sein: Er redete zwar komisch, und er wohnte anscheinend auch hier, aber er war nur ein Junge.
Plötzlich fegte der Wind durch das Fensterloch. Er brachte ein paar kalte Tropfen mit und braun verschrumpelte Blätter.
Sie flogen genau in die großen Spinnweben, die von der Decke hingen. Am Rundbogen. Da, wo Duu’da stand.
»Iiiiih!«, sagte Jana, als ein Zipfel der fahlen Netze herunter wehte und an Duu’da kleben blieb. Er merkte es nicht, denn es war hinten an seinem Kopf.
Und der Wind hatte noch etwas anderes getan als Spinnweben zu schaukeln: Er war tief in die Ecken gefegt, wo der Turm wie eine dunkle Höhle aussah – und er hatte eine Tür erreicht! Sie knarrte und quietschte, als sie ein Stück aufging.
Es gab Licht dahinter, warme Luft kam heraus, und etwas bewegte sich. Ann reckte den Hals, weil Duu’da ein bisschen im Weg stand.
Die Tür schwang hin und her, nur einen Spalt weit, und aus diesem Spalt schimmerte etwas Silbriges. Es war lebendig, das konnte man sehen, und ziemlich groß. Aber mehr ließ sich nicht erkennen. Es hätte alles Mögliche sein können – eine Riesenwurst zum Beispiel, oder ein Stück Schlange. Ann wollte es schon Jana zeigen und fragen, was das war. Aber genau da lehnte sich das Silberding zurück, und ein Kopf kam in Sicht. Ein Drachenkopf mit kalten dunklen Augen. Sie guckten durch den Türspalt.
Direkt auf Ann.
Rumms ging es
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