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136 - Im Schloss der Daa'muren

136 - Im Schloss der Daa'muren

Titel: 136 - Im Schloss der Daa'muren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Seidel
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im nächsten Moment, und der Wind schlug die Tür zu.
    Ann dachte, der Drache würde sie gleich wieder aufreißen.
    Das konnte gut sein, und deshalb ging man jetzt besser. Ann versuchte nicht daran zu denken, wie weit der Weg nach unten war und wie lange man rennen musste, um aus diesem Turm zu kommen.
    »Wir gehen jetzt woanders hin!«, sagte sie zu Jana.
    »Ist gut.« Jana drehte sich gleich um und sprang die Stufen hinunter.
    Ann wäre ihr fast gefolgt, denn Duu’da war so still, dass man ihn leicht vergessen konnte. Aber das durfte man natürlich nicht. Also wisperte ihm Ann zu: »Komm lieber mit! Der Drache ist bestimmt gefährlich!«
    »Was ist ein Drache?«, fragte Duu’da.
    Wortlos zeigte Ann an ihm vorbei. Duu’da drehte sich dem Finger hinterher, dann guckte er wieder nach vorn. Er sah erstaunt aus.
    »Das ist eine Tür!«, sagte er.
    Ann musste lachen, obwohl sie jetzt wirklich endlich gehen wollte. Er ist komisch!, dachte sie. Aber nett, irgendwie! Dann nahm sie seine Hand.
    »Los! Wer als Erster unten ist!«
    ***
    Florins Welt
    Als Florin den Wald verließ, begann es zu schneien.
    Frierend zog der Junge seine Jacke fester um sich. Er hatte schon neun Winter erlebt, aber dieser hier war der härteste.
    Tagsüber heulte ein beißender Ostwind um die Häuser, nachts heulten die Wölfe. Sie hatten Hunger, das konnte man ihnen nicht einmal verdenken, doch sie verloren darüber jegliche Scheu und wurden zu einer ernsthaften Gefahr.
    Neulich hatten sie Calin Paunescu angefallen. Die Tränke im Stall war zugefroren, deshalb hatte der Bauer zwei Eimer Schneewasser aus dem Haus geholt. Er war zu seinen Tieren unterwegs gewesen, als die Wölfe kamen – große schwarze Karpatenwölfe. Am helllichten Tag! Calin hatte sich gerade noch retten können, indem er die Stalltür bis zum Anschlag aufriss und dahinter in Deckung ging. Von seinen Schafen überlebte keines.
    Florin blieb einen Moment stehen, um Kräfte zu sammeln.
    Er war erschöpft vom Aufstieg durch den Wald, und auch ein bisschen müde. Außerdem hatte er Hunger. Das karge Stück Brot war einfach nicht genug gewesen, aber mehr hatte er nicht mitnehmen können. Mehr war nicht da.
    Stille umgab den Jungen, einzig durchbrochen vom unablässigen Wispern der Schneeflocken. Vor ihm ragte ein dunkler Koloss in den Himmel – Omie Corbi, die Tausend-Raben-Burg. Hier und da brannte Licht in ihren Fenstern.
    Florin hob den Kopf. Oben auf den Wehrgängen hätten eigentlich Wächter patrouillieren müssen. Man sah auch vereinzelte Fackeln, doch sie rührten sich nicht von der Stelle und zuckten nur beständig unter den landenden Flocken.
    Florin konnte gut verstehen, warum die Wächter ihre Posten verlassen hatten. Auf dem Wehrgang wehte ein eisiger Wind und der Boden war spiegelglatt gefroren. Bestimmt kamen sie gelegentlich aus der warmen Stube und warfen einen Blick über die Mauern. Aber wenn, dann nur in die Ferne – auf der Suche nach einem feindlichen Lichterheer, mit dem keiner ernsthaft rechnete. Die Burg war noch nie überfallen worden, und es schien höchst unwahrscheinlich, dass sich daran ausgerechnet jetzt etwas ändern sollte.
    Der Junge blinzelte. Dicke Flocken hatten sich an seinen Wimpern verfangen, und Florin hob die Hand, um sie fort zu wischen. Just in dem Moment stieß sich auf einem der Türme etwas ab und kam herunter gesegelt.
    Es war eine weiße Eule, kaum auszumachen im Schneegestöber. Sie hatte Florin schon im Wald einmal überflogen. Nun strich sie erneut über ihn hinweg, lautlos und mit leeren Augen.
    »Muhme Rodica?«, wisperte Florin. Er war beunruhigt.
    Vielleicht hatte er sich geirrt und das unheimliche Geschöpf war gar nicht der Geist der alten Muhme, sondern der von Alexandru Ciucanu! Wenn er es war, dann hatte Florin Grund beunruhigt zu sein, denn sein Vater Gabor hatte Alexandru Ciucanu verflucht! Zwar nur aus Verzweiflung, doch das wusste der Tote wahrscheinlich nicht.
    Alexandru war Heiler gewesen. Er hatte auf derselben Straße gewohnt wie Pater Miliescu, nur weiter zu den Feldern hin und nicht so nahe bei der Kirche. Graf Tihomir hatte ihn neulich auf die Burg befohlen, weil sein eigener Arzt unpässlich war und er selbst von heftigen Zahnschmerzen geplagt wurde. Aber Alexandru zog Tihomir den falschen Zahn. Daraufhin hatte man den Heiler mit einer Schlinge um den Hals über die Burgzinnen geworfen.
    Seitdem gab es keine Hilfe mehr für die Kranken des Dorfes. Heiler fielen nicht vom Himmel, und der Leibarzt des Grafen

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