1363 - Hexen, Witwen und Assunga
Raum hatte sich noch eine bestimmte Würze gehalten, als hätte jemand etwas verbrannt und die Fenster dabei nicht geöffnet. So hatte sich der Geruch halten können. Suko öffnete das Fenster. Mit der Stille war es vorbei. Vor dem Haus stritten sich Halbwüchsige. Deren Stimmen drangen bis zu ihm, was ihn nicht weiter störte, denn es war wichtiger, sich die Bücher einmal näher anzusehen. Sie standen in einem schmalen Regal, das vom Boden bis zur Decke reichte.
Es gibt Menschen, die kaufen quer Beet, wenn sie etwas lesen wollen. Das war bei der Verstorbenen nicht der Fall gewesen. Sie hatte sich praktisch ausschließlich mit einem Thema beschäftigt.
Als Suko sich die Titel auf den Buchrücken anschaute, stellte er sehr schnell fest, womit sich die Verstorbene zu ihren Lebzeiten beschäftigt hatte.
Es ging um Frauen. Das war nur der Oberbegriff. Die Titel der Bücher wiesen auf eine bestimmte Vergangenheit hin, die aus einer besonderen Perspektive gesehen werden konnte.
Frauen hatten letztendlich dafür gesorgt, dass sich die Welt weiterdrehte. Nicht nur, indem sie den Nachwuchs geboren hatten, das Thema wurde nur am Rande gestreift. Es ging vor allen Dingen um die Macht der Frauen. Verbunden mit Magie und mit bestimmten Ritualen, die aus den Naturreligionen stammten.
Da fehlte natürlich auch der Begriff Hexen nicht. Was Suko überhaupt nicht überraschte.
Für ihn stand fest, dass sich Cordula Wayne einem Hexenzirkel angeschlossen hatte.
Das musste nicht unbedingt negativ sein. Hexen waren nicht gleich Hexen, das wusste er selbst, und Cordula Wayne war sicherlich eine moderne Hexe gewesen.
Er wandte sich vom Regal weg, weil ihm ein kleiner Schreibtisch aufgefallen war, der in einer Ecke stand. Ein PC war darauf nicht zu sehen. Dafür ein Telefon und einige Zeitungsausschnitte, die mit einem schwarzen Locher beschwert waren.
Suko schob den Locher zur Seite und schaute sich die Artikel näher an. Es verwunderte ihn nicht, dass auch sie sich mit den Kräften geheimnisvoller Frauen beschäftigten. Artikel über moderne Hexen eben. In den Berichten spannten die Autoren auch den Bogen in die Vergangenheit hinein und schrieben in flammenden Worten darüber, welch ein Unrecht den Frauen damals angetan worden war.
Für Suko stand längst fest, dass Cordula Wayne sich als Hexe gefühlt hatte. Sie hatte sicherlich Kontakt zu anderen Hexen aufgebaut, so allein war sie also nicht gewesen. Nur hatten das ihre Verwandten nicht gewusst. Aber die Verbindung zu dieser Margret Stone lag auf der Hand. Sie betrieb einen Kräuterladen, und in der frühen Zeit waren die Hexen auch als Kräuterweiber verschrien worden.
Allmählich formte sich in Sukos Kopf ein Bild. Er trat einen kleinen Schritt vom Schreibtisch weg nach hinten und schaute versonnen auf die Schublade in der Mitte. Ein Schloss besaß sie zwar, aber es war nicht abgeschlossen, und Suko zog die Lade auf.
Fotos fielen ihm in die Hände. Sie waren sogar vergrößert worden.
Allerdings besaßen sie eine schlechte Auflösung. Die Motive wirkten recht verschwommen.
Um besser sehen zu können, begab sich Suko in die Nähe des Fensters. Das Licht der Schreibtischlampe wollte er nicht einschalten, es hätte auf der Oberfläche der Fotos zu sehr geblendet.
Frauen waren auf allen Bildern zu sehen. Manche nur halb bekleidet, andere ganz nackt, aber dafür hatte Suko keinen Blick, denn ihn interessierte mehr eine Gestalt im Hintergrund.
Er hielt keine Farbfotos in der Hand, und trotzdem wusste er, dass die eine Person im Hintergrund, die auf jedem Bild zu sehen war, rote Haare hatte. Das Gesicht war nicht sehr deutlich zu erkennen, aber Suko wusste schon, wer diese Person war: Assunga, die Schattenhexe!
***
Es rieselte Suko kalt über den Rücken hinweg, denn er wusste, welch eine Macht die Schattenhexe besaß. Gerade in der letzten Zeit hatte sie diese vergrößert, da war sie sogar über ihren eigenen Schatten gesprungen und hatte sich mit Dracula II und dessen Blutsaugern verbündet. Hexen und Vampire waren eine Allianz eingegangen, obwohl sie sich gegenseitig gehasst hatten.
Da war ein Burgfrieden geschlossen worden, und den gab es nur deshalb, weil im Hintergrund ein noch mächtigerer Feind und Gegner lauerte, der Schwarze Tod. Um ihn gemeinsam zu bekämpfen, hatten sich ehemalige Feinde zusammengeschlossen.
»Nicht schlecht«, murmelte Suko, der den Blick nicht von den Fotos nahm.
Alle Motive wiesen darauf hin, dass nur die Schattenhexe im Mittelpunkt
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