1364 - Killer-Engel
darauf, was der Junge zeichnen würde und was die andere Seite seinem Gehirn eingegeben hatte.
Blitzschnelle Bewegungen erfolgten, vergleichbar mit der Spitze eines sensiblen Messanzeigers, der eine zackige Kurve auf das Papier zeichnete.
Nur war es bei Bruce keine Kurve. Er malte einige waagerechte Linien auf das Papier. Im ersten Moment sahen sie wirklich aus wie Gekritzel, was sich allerdings schnell änderte, denn er schaffte es tatsächlich, so etwas wie eine Trennung darzustellen.
Auf der einen Seite den gekritzelten, aber deutlich zu erkennenden Himmel, auf der anderen Seite einen Erdboden, der darunter lag.
Den Zwischenraum schraffierte er leicht aus, sodass ein dunstiges Grau entstand. Dabei blieb es allerdings nicht, denn er fing jetzt damit an, dem Bild ein besonderes Motiv einzuhauchen.
Er malte Personen.
Sie schwebten zwischen Himmel und Erde. Sie waren klein, aber deutlich zu erkennen.
Purdy Prentiss blieb nichts anderes übrig, als zu staunen. Zugleich rieselte ihr ein Schauer über den Rücken, denn sie hatte genau erkannt, um wen es sich handelte.
Es waren die Killerengel!
Sie befanden sich nicht mehr in der normalen Welt, sondern in ihrer eigenen Dimension. Dort hatten sie das Sagen, dort hatte ihnen der Lügenengel eine Heimat geschaffen und er hatte es gleichzeitig geschafft, mit Bruce Everett Kontakt aufzunehmen, damit er den Menschen zeigte, in welchen Sphären er sich bewegte.
Die Staatsanwältin dachte einen Schritt weiter und hoffte, dass sie damit richtig lag.
Bruce würde sicherlich nicht nur die Killerengel malen, sondern auch ihre Opfer.
Ihrer Meinung nach konnten das nur John Sinclair und sein Kollege Suko sein…
***
Blitze, die sich zu einem magischen Gewitter zusammensetzten und uns wie ein Netz umgaben, das alles hatten wir erlebt, und es hatte uns aus der normalen Welt weggerissen.
Sie hatten uns trotz ihrer gewaltigen Kraft nicht elektrisch aufgeladen, sodass wir innerlich verbrannten. Hinter ihnen steckte etwas ganz anderes.
Es war ihnen gelungen, den Weg für uns in eine andere Dimension freizumachen, in der sich auch der Engel der Lügen wohl fühlte.
Also war es seine Heimat.
Wir wussten beide, dass es die Dimensionen oder Reiche der Engel gab, die auch in unterschiedlichen Schichten lagen. Sie waren nicht zu berechnen, nicht richtig zu erfassen. Man konnte vielleicht sagen, dass sie Flure waren, die sich zwischen dem Diesseits und dem Jenseits aufgebaut hatten.
Wie viele Ebenen, Sphären oder Flure überhaupt existierten, das wusste wohl keiner. Vielleicht der Schöpfer, aber das Gehirn eines Menschen war unfähig, dies zu begreifen.
Auch wir konnten nicht sagen, ob sie neben, über oder unter uns lagen, denn die normalen drei Dimensionen waren zwischen den einzelnen Welten aufgehoben.
Ausgerechnet in eine derartige Welt waren wir hineingeraten. Wir konnten zudem nicht sagen wie viel Zeit vergangen war, denn dieses Gefühl hatte man uns geraubt.
Meinem Gefühl nach konnte es sich nur um einen Augenblick gehandelt haben oder höchstens um Sekunden, aber es war nun mal passiert, und wir mussten uns damit abfinden.
Es war eine seltsame Umgebung, die uns empfing. Zuerst spürte ich die Temperatur. Sie war weder warm noch kalt und befand sich in einem Bereich, den man als angenehm einstufen konnte. So war der erste Eindruck schon mal positiv.
Und der zweite?
Wir hatten uns beide sofort mit der neuen Lage abgefunden. Es lag auch daran, dass wir schon öfter so ungewöhnliche Reisen angetreten hatten. Wir dachten nie daran, uns zu beschweren, denn es war wichtig, dass wir uns sofort auf die neue Lage einstellten, denn oft war so etwas mit Gefahren verbunden.
Suko und ich waren nicht am gleichen Platz gelandet. Es gab einen Raum zwischen uns, und ich hörte mein Partner leise rufen, bevor er auf mich zukam.
Wenn ich hier die irdischen Maßstäbe beibehielt, waren es nur wenige Meter, die Suko zurückzulegen hatte. Das wusste auch er, und er kam auf mich zu.
Eine gewisse Zeitspanne lang passierte nichts. Das heißt, ich wurde nicht misstrauisch, dann aber – Suko hätte schon bei mir sein müssen – wurde ich doch aufmerksam.
Er ging, aber er kam nicht näher!
Er blieb dabei auch nicht auf dem Fleck stehen, obwohl er seine Beine bewegte, und genau das irritierte mich.
Ich wollte nicht länger auf ihn warten und versuchte nun, auf Suko zuzugehen.
Das gelang mir.
Ich ging…
Oder doch nicht?
Es war verrückt, aber die Erkenntnis blieb. Wir beide
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