1366 - Die Freiheit des Bewußtseins
die sanfte Stimme. „Vielleicht begegnen wir uns wieder, wenn ich meinen Wunschkörper gefunden habe."
„Was nicht existiert, kann man nicht finden", lautete die eindeutige Antwort. „Tut mir leid, Ernst."
„Verdammt noch mal, mir auch! Aber was soll ich tun? Du weißt, wie sehr ich mir die Körperlosigkeit gewünscht habe, sofern es diese Viren angeht, und nun bietet sich die einmalige Gelegenheit..."
„... die du wahrnehmen solltest, auch wenn sie Gefahren birgt, die ich nur ahnen, nicht aber definieren kann. Der Sprung geht durch die Dimensionen, die Entfernung ist unbekannt. Vom Vergehen der Zeit wollen wir erst gar nicht reden. Nur eins ist sicher: Der Virenkörper übersteht die Prozedur nicht. Er verschwindet."
„Und mein Bewußtsein?"
„Es wird sich zu helfen wissen", tröstete die ZUGVOGEL lakonisch.
Ellert stand auf und blickte in die Richtung, in der Barkon verschwunden war. Er sah den Alten die gewundene Treppe hinaufsteigen, langsam und mühsam. Es war das letzte Mal, daß er es tun würde. „Ich muß gehen, ZUGVOGEL. Darf ich dir danken für alles, was du für mich getan hast? Dann tue ich es hiermit. Was wird mit dir geschehen?"
„Ich weiß es nicht. Für dich jedenfalls werde ich nicht mehr real vorhanden sein. Und - nun, auch ich habe dir zu danken. Du warst ein guter Freund. Ich werde dich vermissen."
„Ich dich auch. Viel Glück."
„Du hast es nötiger, Ernst. Lebe wohl."
Und danach schwieg die ZUGVOGEL für immer.
Ellert ging langsam durch den Garten auf die Treppe zu.
Als er die Kuppel erreichte, blieb er einen Augenblick stehen. Barkon stand bei dem Transmitter, den er bereits aktiviert hatte. Ein Leuchtzeichen verriet die Abstrahlbereitschaft.
Barkon winkte ihm zu. „Du hast dich endgültig entschieden, Ellert. Gemeinsam werden wir unser Ziel erreichen, nur werde ich dich dann nicht mehr sehen können. Komm, alles ist bereit."
Ellert ging weiter und stieg die wenigen Stufen empor, die zum Podest hinaufführten, in dessen Mitte der Transmitter ruhte. Barkon lächelte verbittert, als er seinen Stock prüfend betrachtete und dann mit in den Transmitter nahm. Abermals winkte er dem Wartenden zu.
Ellert gab sich einen Ruck und folgte dem Alten.
Sekunden später raste ein unvorstellbarer Schmerz durch seinen Virenkörper. Es war, als versuchten ungeheuerliche Kräfte, ihn regelrecht zu zerreißen.
Dann war ihm, als stürze er in einen bodenlosen Abgrund.
5.
Der Eingeborene, den Testare übernommen hatte, legte Holz auf das fast niedergebrannte Feuer. Im Osten dämmerte der Morgen. Es war kühl. „Das war der Ephemeridenschwarm, in den du geraten bist", sagte er, als Ellert schwieg. „Du warst zwischen den Dimensionen gefangen - wer weiß, wie lange. Und du hast vorübergehend falsche Erinnerungen gehabt. Was aber soll nun geschehen? Wir wollen zum Ort der Erfüllung, aber wir wissen beide noch immer nicht, wo er zu finden ist."
„In der Mächtigkeitsballung von ES - mehr hat Barkon mir nicht verraten. Wenn ich nur wüßte, wo er jetzt ist! Ob er wirklich im Archiv der Porleyter ankam, während ich von ihm getrennt wurde?"
„Und das Archiv? Wo ist das?"
„Auch das weiß ich nicht. Ich weiß nur eins: Ich muß jene Station wiederfinden, die uns abstrahlte. Du erinnerst dich: der einzige Planet der Zwergsonne, die Station mit dem Paradiesgarten und dem Transmitter in der Kuppel. Die ZUGVOGEL hatte die Koordinaten, aber das Schiff gibt es nicht mehr."
„Aber du mußt dich doch in etwa an die Position erinnern, zumindest an die Galaxis."
„Absantha-Gom, natürlich. Nicht weit vom Zentrum entfernt."
Der pelzige Eingeborene, der Testare war, lachte kehlig. „Und da soll es nicht möglich sein, ein so auffälliges System aufzuspüren? Uns sind keine Grenzen mehr gesetzt, vergiß das nicht, Ernst. Es ist doch vielleicht auch möglich, daß Barkon gerade zu dieser Station zurückgekehrt ist, wenn er bei den Porleytern das fand, wonach er suchte."
Inzwischen war es hell geworden. Ellert spürte, wie das fremde Bewußtsein sich regte und stärker wurde. „Wir werden unsere Gastkörper bald verlassen müssen, Testare. Es widerstrebt mir, ihren Geist noch länger zu unterdrücken."
„Und dann suchen wir den Paradiesgarten auf der Hitzewelt."
„Genau das werden wir tun."
Wenig später schwebten die beiden Bewußtseine in einiger Höhe über den beiden „Forschern", die - wie sie meinten - erfrischt aus ihrem Schlaf erwachten. Sie bereiteten sich ein
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