1368 - Glendas Feuertaufe
die Höhe stieg, sondern gegen den Boden gerichtet war.
Was hier passierte, war nicht normal. Glenda kam in den Sinn, dass es sich um ein Verbrechen handelte oder zumindest Vorbereitungen dazu getroffen wurden.
Die nächsten Handlungen kamen ihr vor, als würden sie von allein geführt: Sie lief der Gestalt nicht hinterher, sondern griff nach hinten in ihre rechte Gesäßtasche. Weshalb das Handy dort steckte, konnte sie nicht sagen. Sie erinnerte sich nicht daran, es eingesteckt zu haben. Es war rein instinktiv geschehen. Vielleicht hatte sie auch ein guter Geist dazu getrieben.
Wichtig war allein, dass der flache Apparat funktionierte und sie anrufen konnte.
Ihre Zielperson war John Sinclair!
***
Sollte ich toben? Sollte ich schreien? Sollte ich mir die Haare ausreißen vor lauter Wut und Enttäuschung, dass Glenda vor meinen Augen verschwunden war und ich ins Leere gegriffen hatte?
Nein, ich tat nichts dergleichen, ich stand einfach nur da und schaute in diese Leere, wobei ich kaum merkte, dass ich den Kopf schüttelte und mich erst von meinen Gedanken löste, als ich den Druck der Frauenhand auf meiner rechten Schulter spürte.
»Du brauchst dir keine Vorwürfe zu machen, John, wirklich nicht. Auch wenn wir es zu dritt versucht hätten, wir hätten Glenda nicht zurückhalten können. Sie ist tatsächlich jemand, die sich unter unseren Händen auflöst. Das müssen wir akzeptieren, so schwer es auch ist. Sie hat eine andere Bestimmung erhalten.«
»Toll. Und welche?«
»Wenn du es nicht weißt, kann ich dir das auch nicht sagen. Aber es ist nun mal so.«
»Das hört sich an, als würde sie von nun an einen eigenen Weg gehen und uns verlassen.«
»Ja, so denke ich auch.« Shao strich ihre Haare zurück und verdrehte die Augen etwas. »Freiwillig wird sie es nicht getan haben, davon können wir beide ausgehen.«
So dachte ich auch. Glenda war in den letzten Stunden so verändert worden, und das genau würde auch starke Auswirkungen auf ihre Zukunft haben. Sie würde nicht mehr so weiterleben können wie bisher. Genau das hatten wir vor wenigen Minuten erlebt.
Niemand von uns konnte sagen, wo sie sich jetzt aufhielt. Noch in dieser Dimension? Oder hatte man sie vielleicht in eine andere gezogen? Möglicherweise in die neue Welt des Schwarzen Tods? So unwahrscheinlich war das nicht, denn Saladin arbeitete mit diesem verfluchten Dämon eng zusammen.
Shao, Suko und ich fühlten uns wie Tiger, die in einem Käfig steckten und nicht heraus konnten. Dafür gingen wir unruhig hin und her. Wir schafften es einfach nicht, nur auf einem Platz stehen zu bleiben. Zu stark waren der Druck und die Ungewissheit.
Es war kalt geworden, weil Suko das Fenster geöffnet hatte. Er stand dort und schaute hinaus, als könnte er Glenda irgendwo als fliegenden Menschen am Himmel entdecken.
Urplötzlich hörten wir die Melodie meines Handys. Wir schraken alle drei zusammen, und ich merkte, wie ich innerlich versteifte.
Wer rief jetzt an?
Ich hatte keine Idee, aber ich wollte es wissen. Auf dem Display sah ich eine längere Nummer, konnte in der Eile jedoch nicht feststellen, wem sie gehörte.
»Ja.« Mit diesem leise gesprochenen Wort meldete ich mich.
»John!«
Eine Flüsterstimme, die einer Frau. Obwohl sie so leise gesprochen hatte, erkannte ich sie, und es durchschoss mich wie ein glutheißer Strahl. Glenda!
Ich sprach meinen Gedanken aus und wurde auch von Shao und Suko gehört, die sich beide umdrehten, mich anschauten, aber keinen Schritt auf mich zugingen. Sie merkten beide, dass sie in diesen wichtigen Sekunden keine Störenfriede sein durften.
»Ich muss es kurz machen, John…« Das sollte sie auch. Ich unterbrach sie trotzdem, denn ich konnte meine Gefühle nicht mehr im Zaum halten. »Wo steckst du?«
»Das wollte ich dir gerade sagen, und ich kann hier auch nicht weg. Field Road.«
»Verstanden. Und weiter?«
»Weißt du, wo die Straße ist?«
»Nein, werden wir aber finden.«
»Es scheint hier um Leben und Tod zu gehen. Noch hat man mich nicht entdeckt. Ich bin nur Beobachterin. Aber ich werde eingreifen müssen, das spüre ich. Eine Bitte, beeilt euch.« Sie beschrieb noch das Haus, in dessen Nähe sie zu finden war, dann hatte sie nichts mehr zu sagen und beendete das Gespräch.
Ich verfiel nicht in Hektik, obwohl ich wusste, dass es auf Minuten ankommen würde. Shao sah nicht ein, dass sie zu Hause bleiben sollte. Wir waren so schnell wie möglich aus der Wohnung, und auf der Fahrt in die
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