1368 - Glendas Feuertaufe
die bedauernswerten Menschen ein, die sich weiterhin abmühten, denn die zwei Bewaffneten besaßen einen besonderen Trumpf, das gefesselte Kind. Manchmal weinte es, rief nach seiner Mutter, die den Kopf drehte und hinschaute.
»Amira. Bitte, hör auf zu weinen. Es wird alles gut werden, das verspreche ich dir.« Die Stimme versagte. Es war die Erschöpfung, die die Frau überkommen hatte.
Kurz holte einer der Bewacher aus und trat zu. Er traf die Frau an der Schulter. Dieser eine Stoß reichte aus, um sie in das halb fertige Grab zu schleudern, wo sie auf dem Rücken liegen blieb. Sie war fertig und konnte nicht mehr.
Ihr Mann wollte ihr beistehen. Er ließ die Schaufel fallen, um in das andere Grab zu springen.
Ihn traf der Tritt härter und erwischte auch das Kinn an der Spitze.
Es war das berühmte Glaskinn, das manche Menschen haben. Der Aufprall reichte aus, um ihn für eine Weile außer Gefecht zu setzen.
Auch er fiel und blieb in seinem Grab liegen. Allerdings bäuchlings, mit dem Kopf zur Seite gedreht und schräg.
Die Vermummten waren mit ihrer Aktion nicht zufrieden. Sie sprachen miteinander, und ihre Stimmen hörten sich nicht eben nett an.
Weder die Frau noch der Mann schafften es, sich aufzurichten. Die Frau mit den dunklen, halblangen Haaren bewegte wohl ihren Kopf dorthin, wo das Mädchen gefesselt am Baum stand, doch helfen konnte sie ihm nicht. Die Kleine nahm den Blick nicht wahr. Sie hatte den Kopf gesenkt und weinte leise vor sich hin.
Die Vermummten unterhielten sich noch immer. Und das nicht nur mit Worten, sondern auch durch Gesten, die Glenda Perkins sehr genau verfolgte. Sie wiesen darauf hin, dass sie jetzt die Arbeit übernehmen wollten.
Tief genug war das Grab. Man brauchte nur die Erde wieder zurück an ihren Ursprungsort zu schaufeln. Von der Masse her war es schon jetzt genug, um die Menschen ersticken zu lassen.
Sie einigten sich und wollten es schnell hinter sich bringen.
Dass sie beobachtet wurden, ahnten sie nicht. Sonst hätten sie niemals ihre Waffen auf den Boden gelegt, um nach den Schaufeln zu greifen.
Genau das taten sie jetzt!
Die auf der kalten Erde liegende Glenda Perkins bekam große Augen, als sie das sah. Plötzlich lag die Schnellfeuerpistole der ihr am nächsten stehenden Person gar nicht mal so weit von ihr entfernt. Wenn sie den Arm sehr lang machte und auch die Hand ausstreckte, konnte es ihr durchaus gelingen, nach der Pistole zu fassen.
Die beiden sprachen sich noch kurz ab und griffen dann zu den Schaufeln. Einer ging sogar bis zum Kopfende der Gräber, wo es mehr Erde gab. Allerdings nahm er seine Pistole mit und streckte sie in den Gürtel an der linken Seite.
Die im Grab liegende und völlig erschöpfte Frau fing an zu jammern, als sie erkannte, was auf sie zukam. Das Mädchen am Baum reagierte nicht. Der Schock hatte ihm die Sprache verschlagen.
Der Killer am Kopfende zischte der Frau einen Fluch in seiner Heimatsprache entgegen. Leider hatten sie nur kurz Englisch gesprochen, jetzt redeten sie sich Arabisch an.
Der Mann stieß die Schaufel in den Lehmberg und füllte sie. Glenda schaute gar nicht hin. Sie musste sich auf ihre Aufgabe konzentrieren und sich zur Ruhe zwingen, wobei sie selbst davon überrascht war wie leicht sie das schaffte.
Die Pistole!
Nur sie und nichts anderes war wichtig. Wenn sie die Waffe in die Hand bekam, war das schon die halbe Miete. Sie hoffte nur, dass es nicht zu einer zu großen Gewalt kam und das gefesselte Mädchen noch mit hineingezogen wurde.
Glenda hatte das Gefühl, in die weiche und feuchte Erde hinein zu kriechen, als sie den Arm so weit wie möglich ausstreckte und das Gleiche mit ihrer Hand passierte.
Dabei brauchte sie nicht mehr so stark darauf zu achten, keine Geräusche zu verursachen, denn das Klatschen des Lehms auf die Körper klang laut genug.
Glenda konnte den Atem nicht mehr anhalten. Ihr Keuchen begleitete die Aktion. Noch schaute keiner hin, nur sie blickte durch den Spalt dicht über dem Boden.
Und dann fühlte sie etwas Kaltes und auch Hartes, was nichts mehr mit dem Erdboden zu tun hatte, sondern nur mit dem, was darauf lag. Es war die Waffe, und sie hatte es sogar geschafft, sie am Griff zu fassen. Glenda übte den nötigen Duck aus, um sie ein Stück näher an sich heranzuziehen, damit sie sie besser greifen konnte.
Bisher lief alles nach Wunsch, denn die beiden Killer waren einzig und allein mit der Aufgabe beschäftigt, zwei Menschen bei lebendigem Leib zu begraben.
Glenda
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