1376 - Die Werber des Hexameron
Tiil, Haalar, Talluur-Es, Talluuri und Duur, aus Nemees, Urkhii, Es und Ponaa-Es wohnten der Zeremonie bei. An die zweihundert Hauri hatten sich im größten Saal Jhiakks versammelt, um der Priesterweihe beizuwohnen. Sie standen dichtgedrängt im trüben Licht und warteten auf die Ankunft des Vorstehers.
Shallun stand schweigend neben Shaa; er hatte keine Zeit gefunden, mit dem Bruder mehr als ein paar Worte zu wechseln. Shaa sah eingefallen aus, abgezehrt, aber nicht direkt krank. „Da kommt er!" raunten die Hauri nahebei.
Der Prior Jhiakks betrat gemessenen Schrittes den Saal. Er schien sich der Bedeutung des Augenblicks vollauf bewußt, denn in Jhiakk fanden nur selten Priesterweihen statt. Dieser Berg brachte Techniker und Kämpfer hervor, deren Ausbildung viel Zeit in Anspruch nahm. „Shaa pak Jhiakk, Shallun. Wir sind hier zusammengekommen, um euch dem Dienst des Hexameron zu weihen." Der Saal war plötzlich von atemloser Stille erfüllt. „Die Priesterberge bringen die Elite unseres Volkes hervor, das ist Tatsache und Verpflichtung zugleich. Erweist euch dessen würdig, wenn ihr in die Galaxis Hangay hinausgeschickt werdet, deren Name in unserer Ursprache Maghruu Maghaa lautet."
Er ließ sich von einem Novizen zwei Gewänder reichen. Das eine war khakibeige, während das andere einer weit geschnittenen Kombination ähnelte und rot war.
In Shalluns Kopf klingelte etwas. Er wandte hastig den Kopf, musterte zunächst Shaas eingefallene Züge und anschließend das rote Gewand. Die schlimme Ahnung, die er über Tage hinweg unbewußt in sich getragen hatte, verdichtete sich zur Gewißheit.
Doch der Prior dachte nicht daran, auf Shalluns Gemütszustand Rücksicht zu nehmen. „Ich will ein paar Worte aus dem Buch Hexameron sprechen, aus dem Lied des Sechsten Tages. Dies scheint dem Anlaß angemessen, weil keiner von uns seine Bedeutung darüber hinaus bemessen darf. Ein Aufstöhnen wird durch das All gehen; denn schmerzhaft ist der Weg der Vervollkommnung. Und es wird Geschrei sein unter den Ungläubigen, die den Pfad der Weisheit verachten. Völker werden sterben und Sterne vergehen. Es wird eine Reinigung geben; denn den Sechsten Tag werden nur die überleben, in deren Herzen der Glaube an die Wahrheit des Buches Hexameron wohnt."
Shallun fühlte in sich einen fast perversen Hohn aufsteigen. Er wußte nun, daß er aus der Art geschlagen war. Die Worte des Herrn Heptamer hatten keineswegs seinen Glauben bestärkt, sondern Ekel hervorgerufen. Was sollte das rote Gewand? Weshalb hatte man ihn und Shaa in der Wüste ausgesetzt?
War es nicht bekannt, daß so jeder Prüfling Wasser in aufgeschlossener Form zu sich nahm - und daß Wasser in hoher Konzentration ein Suchtgift war? „Shallun und Shaa pak Jhiakk."
Die Stimme des Vorstehers riß ihn aus seinen trüben Gedanken. „Ich weihe euch mit diesen Worten zu Priestern des Berges Jhiakk. Aber bevor ich euch die Gewänder anlege, ist zu jedem von euch noch etwas zu sagen. Ihr beide stellt, jeder auf seine Art, etwas Besonderes dar. Du, Shallun, bist als einer von uns aufgewachsen. Du weißt, du bist nicht im Innern eines Berges zur Welt gekommen, und dein Bruder Shaa ist nicht dein leiblicher Bruder, sondern mehr ein Altersgefährte, ein Bruder im Geist.
Dies ist die wahre Geschichte.
Wenige Monate nach deiner Geburt trafen gläubige Hauri mit Ungläubigen aus dem Volk der Kartanin zusammen. Die Kartanin waren heruntergekommene Prospektoren. Auf irgendeine uns nicht bekannte Weise waren sie in den Besitz eines neugeborenen Hauri gelangt - und dieser Hauri warst du, Shallun.
Die Priesterlehrer von Nemees beschlossen, dich freizukaufen. Heute sehen wir, wie sehr diese Maßnahme sich ausgezahlt hat."
Shallun hatte Mühe, seine Überraschung zu zügeln. Glücklicherweise war es dunkel im Saal, und er hatte die Kuttenmütze tief in die Stirn gezogen. Vielleicht war er deshalb anders, überlegte er fast gegen seinen Willen. Er war kein Hauri von Talluur, sondern ein Bastard ungewisser Herkunft. „Und nun sehen wir den zweiten Absolventen der Schule Jhiakk vor uns", fuhr der Prior mit lauter Stimme fort. Seine Augen glommen plötzlich in grünem Feuer; ein untrügliches Zeichen religiöser Erregung. „Shaa pak Jhiakk, geboren in Nemees, zeichnet sich durch tätigen Glauben ganz besonderer Art aus. Ein Leben ist nichts, sagt der Herr Heptamer, und nur sein Nutzen zählt, auf daß der Ablauf der Sechs Tage beschleunigt werde! In diesem Sinn zählt ständige
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